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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Priester hängen von den Bischöfen ab; hier haben die hiesigen Bischöfe das Sagen, und die hiesigen Bischöfe haben nur Priester von hier. Priester von dort haben die Bischöfe dort. Schreibt an sie.«
    »Wunderbar, und danke für den Ratschlag.« Er ging und schrieb Briefe an sämtliche Bischöfe in Venetien – »Schickt uns unsere Priester« –, klapperte alle Höfe ab, ließ die Familienoberhäupter unterschreiben und schickte die Briefe los. »Jetzt reicht’s aber«, sagte er zu seiner Frau, »jetzt hört auf, mir auf die Nerven zu fallen.«
    Ein Monat verging, noch einer. Keine Antwort. Und Ehefrau und Mutter wurden wieder lästig. Priester hier, Priester da.
    »Aber was stimmt denn nicht mit einem Marokkanerpriester?«, sagte er versuchsweise, aber innerlich kochte er vor Wut: »Was? Ich setz mich hier ein, und keiner hört auf mich? Jetzt werd ich ihn euch aber zeigen, den Patriarchen.« »Iseo!«, brüllte er. Und der sofort: »Zur Stelle!«
    Sie setzten sich in den Zug – vom Traktorverkauf war noch etwas Geld übrig –, dritter Klasse, und fuhren nach Venedig, wo sie noch nie in ihrem Leben gewesen waren. Ja, wir hatten dort gleich in der Nähe gewohnt, aber wir waren nie da gewesen. Durch Krieg und Militärdienst womöglich in der ganzen Welt herumgekommen, aber in Venedig waren wir nie gewesen. Und jetzt tun Sie nicht so erstaunt; Sie haben ja keine Ahnung, wie viele Veneto-Pontiner – die mittlerweile seit über siebzig Jahren hier leben und jeden Morgen beim Aufstehen auf den Bergen Cori vor sich sehen, Norma, Sermoneta und Sezze, die bei klarem Wetter zum Greifen nah scheinen –, wie viele Veneto-Pontiner ihr Leben lang weder in Cori noch in Norma oder Sermoneta gewesen sind, geschweige denn in Sezze!
    In Milizuniform und Liktorenschärpe über der Brust stiegen meine Onkel am Bahnhof Venedig aus. Sie nahmen das Fährboot und fuhren nach San Marco, in der Basilika sagten sie zum ersten Priester, auf den sie stießen: »Wir müssen mit dem Patriarchen von Venedig sprechen.«
    »Ausgeschlossen«, antwortete der. »Kommt da einer daher und verlangt, mit dem Patriarchen zu sprechen!« Fast wie in Rom.
    »Ach ja?«, sagte Onkel Pericle. »Und wozu bin ich dann hier, zur Luftveränderung vielleicht? Lass mich mit diesem Patriarchen sprechen, und zwar ein bisschen dalli, sonst ahnst du ja nicht, was hier herinnen passiert.« Sie waren im Markusdom, vor dem Hauptaltar.
    »Bleib ruhig, Pericle«, sagte Onkel Iseo zu ihm.
    »Ich bin ruhig, völlig ruhig. Wenn man mich nicht in Rage bringt, bin ich ruhig.«
    Tatsache ist, dass dieser Priester zu ihm sagte: »Ich sehe mal nach.«
    Man ließ sie drei oder vier Stunden lang warten, um zu sehen, ob sie es nicht vielleicht leid wurden und von selbst gingen. Sie dagegen harrten ruhig und friedlich auf dem Stuhl aus, den man ihnen angewiesen hatte. Ohne sich von der Stelle zu rühren. Ruhig und reglos. Hic manebimus in semperiternum amen .
    »Die gehen nicht mehr weg«, dachten die Priester, also sagten sie bei Anbruch der vierten Stunde zu ihnen: »Ist gut, aber nur einer von euch, nicht beide.« Sie wollten sich nicht völlig geschlagen geben. Nur zur Hälfte.
    »Willst du gehen?«, fragte Onkel Pericle den Bruder Iseo.
    »Was fällt dir ein? Ich komm immer nach dir, Bruder.« So ging Onkel Pericle zum Patriarchen von Venedig.
    Man führte ihn gewisse Treppen hinauf und hinunter, durch wer weiß wie viele Korridore, durch einen kleinen dunklen Raum, dann einen noch kleineren und dunkleren, schließlich öffnete sich eine Tür und man schickte ihn allein hinein. Das war ein großer Saal mit sehr hohen Fenstern, durch die jede Menge Licht hereinfiel und durch die man die Piazzetta dei Leoncini sah, im Hintergrund den Markusplatz. Hinten im Raum saß der Patriarch.
    Onkel Pericle durchquerte den ganzen Saal, gelangte zu ihm und sagte: »Wir wollen unsere Priester, solche, die so reden wie wir.«
    »Zu Befehl, mein Herr! Wie Sie wünschen!«, antwortete der Patriarch prompt. Da musste mein Onkel lachen, und der Patriarch lachte auch, dann sagte er zu ihm: »Komm her, mein Sohn, lass dich segnen, Gott unser Herr möge dich beschützen.«
    »Aber was heißt denn hier schützen, Patriarch«, sagte mein Onkel und lachte nicht mehr. »Ich habe so viele Sünden auf dem Gewissen.«
    »Aber hast du sie bereut?«, fragte der heilige Mann sanft.
    »Bereut ja. Aber es sind schwere Sünden, sehr schwere …«
    »Das macht nichts, ego te absolvo , sie sind dir vergeben …

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