Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
guter Samariter: Halstuch mit Knoten und Dschungelbuch, fertig. Nun ist es aber zufällig so, dass das »Dschungelbuch« Rudyard Kipling geschrieben hat und dass er es geschrieben hat, nicht um das Himmelreich zu preisen und zu festigen, sondern das Britische Empire. Und auch die Boy-Scouts, das ganze Scoutwesen – mit geknoteten Halstüchern, Liedern, Sippen und Stämmen, gutem Spähen, Gesetz, Gelöbnis –, das hatte ein Freund von Kipling erfunden, Lord Baden-Powell, ein britischer Militär. Und er hatte es während des Burenkriegs in Südafrika erfunden, um die Kinder und Jungs gegen die Buren einsetzen zu können – er ließ sie Späher und Kundschafter machen, Meldungen und Befehle überbringen, alles was so nötig war –, und einige sind dabei auch ums Leben gekommen.
    Damit will ich nicht sagen, dass die Faschisten recht hatten, das fehlte noch. Es sollte klar sein, dass hier nicht von anständigen Menschen die Rede ist – die waren so, das waren Leute, wenn man im Parlament gegen sie redete, dann schickten sie einem einen Schlägertrupp mit Messern ins Haus wie bei Matteotti –, während bei dem Pfarrer von Comacchio klar ist, dass er alles für den guten Zweck tat. Er wollte Frieden, Freiheit, Fortschritt, das Reich Gottes und die Liebe unter allen Lebewesen. Er war ein Mann Gottes, und die Boy-Scouts rief er ins Leben, um die Jungs zur universalen Liebe zu erziehen. Das waren bloß Kinder, während die Faschisten einen argwöhnischen Blick hatten und schlechte Absichten auch dort witterten, wo sie gar nicht vorhanden waren. Daher steht außer Zweifel, dass die Boy-Scouts heutzutage Umweltschutz betreiben, Ökologie und Pädagogik, und dass sie ein Werkzeug des Friedens sind. Ebenso klar sollte aber auch sein, dass sie zur Zeit ihrer Entstehung – und das ist noch gar nicht so lang her, zur Lebenszeit meiner Onkel – als Werkzeug des Krieges entstanden sind.
    Die aber waren besorgt. Alles andere lief ruhig, das Land schien normalisiert, meine Onkel hackten die Erde, und meine Großmutter war hochzufrieden, dass sie nicht mehr herumfuhren und nur arbeiteten. Die aber waren besorgt, und eines Tages in Rom – gleich nach einer Sitzung des Faschistischen Großrats –, kurz bevor alle auseinandergingen und Balbo gerade aufstehen wollte, sagte Mussolini zu ihm: »Was ist denn das für eine Geschichte in Comacchio? Bist du nicht mehr imstande, einen Landpfarrer zur Räson zu bringen?«
    Balbo wurde rot vor Wut und Scham. »Ich hätte ja schon mit dem Bischof gesprochen.«
    »Aaah ja, mit dem Bischof …«, sagte der Duce, dann wiederholte er mit einem kleinen schiefen Lächeln, sarkastisch, um ihn zu frotzeln und schmoren zu lassen: »Mit dem Bischof?«
    »Nun ja, ich hätte da auch an etwas anderes gedacht.«
    »Ja, denk nur … denk du nur nach«, stichelte der Duce. »Und woran hättest du denn gedacht?«
    »Peruzzi aus Codigoro«, fuhr Rossoni dazwischen, der danebenstand und es gar nicht fassen konnte, dass er die Lösung für die Probleme des anderen aufzeigen und allen – vor allem Balbo und dem Duce – beweisen konnte, dass er auch seine Leute hatte, dort bei sich zu Hause.
    »Peruzzi? Ein Sohn von Peruzzi?«, sagte der Duce mit einer Miene, wie um zu sagen: »Und warum? Warum ausgerechnet der?«
    »Er weiß, wie man mit Pfarrern redet«, erklärte Rossoni, und dann, zu Balbo gewandt: »Richtet ihm aus, dass ich Euch das gesagt habe«, während der vor Wut fast platzte wie ein Frosch, gefangen in Rossonis Netz.
    Der Duce zog aber immer noch ein langes Gesicht, mit dem Ausdruck: »Aber was sagst du denn da? Ich hab wirklich keine Ahnung, wovon du da redest.«
    »Cavarzere! Der Pfarrer von Cavarzere«, rief Rossoni ihm ins Gedächtnis.
    »Ah ja!«, sagte der Duce.
    Und so ließ Balbo – zurück in Ferrara – widerwillig einen der Seinen rufen und schickte ihn zu meinem Onkel Pericle: »Ihr solltet hingehen und mit dem Pfarrer von Comacchio reden. Lässt Rossoni ausrichten«, und mein Onkel ging.
    Deswegen konnten sie fast zehn Jahre später am Palazzo Venezia erscheinen und klopf, klopf an der Tür klopfen.
    »Wer ist da?«
    »Peruzzi! Wir wollen zu Rossoni«, und man konnte uns nicht wegjagen.
    Zehn Jahre waren seit diesem Vorfall vergangen, und wir lebten nun nicht mehr in Codigoro, sondern in Ca’Bragadin beim Grafen Zorzi Vila, und die Dinge liefen – bis dahin – für die ganze Familie prächtig, denn Boden war reichlich und aller gut, und wir waren ein Haufen Kinder, um ihn zu

Weitere Kostenlose Bücher