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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Mussolini und übergib ihm die Regierung, nachher einigen wir uns schon und sorgen dafür, dass er macht, was wir wollen, wie wir das mit den anderen auch immer gemacht haben. Das Wichtigste ist, dass wir ihn auf unsere Seite bringen und ihn in Bereitschaft halten, um ihn gegen diese Idioten von Sozialisten loszulassen« – denn denen hatte er nicht verziehen.
    Der König war einverstanden. »Ist gut, Giolitti, du hast recht«, und er rief Mussolini, und alles war in Ordnung.
    »Majestät, ich bringe Euch das Italien von Vittorio Veneto«, und der Marsch auf Rom war so gut wie vorbei. Onkel Adelchi gab einen Schuss auf ein Blesshuhn ab, das vorüberflog, während sie am Nachmittag des 29. in Settebagni bei Rom auf freiem Feld campierten, der Regen hatte gerade aufgehört. Und sie brieten es am Spieß, zusammen mit zwei Hühnern, die Onkel Turati wer weiß wo aufgetrieben hatte. Es ist nie klar geworden, ob er sie auf einem nahe gelegenen Hof gekauft oder gestohlen hatte. Von den Brüdern verlangte er jedenfalls Geld dafür: »Ich habe sie bezahlt.« Am nächsten Tag, am Abend des 30., gingen sie nach Rom hinein, und Onkel Pericle führte sie – das heißt, die jüngeren Brüder, Onkel Temistocle nicht, der wollte nicht mit: »Ich bin verheiratet« – in das Bordell, in das er als Soldat immer gegangen war, als er von Cisterna aus Pferde verschickte.
    Onkel Turati wollte man nicht hineinlassen, weil er zu jung aussah. »Aber er ist Faschist«, sagte Onkel Pericle, während Turati den Dolch zückte, »und ich bin ein treuer Stammkunde.« So wurden alle hineingelassen, und alle wollten mit der Chanteuse gehen, mit Mimi, während Onkel Pericle beharrlich die Vorzüge der Seinen pries: »Schaut, sie ist besser, in der Leistung gar kein Vergleich.« Aber die waren nicht zu überzeugen.
    Und sie, die Seine, sagte wieder einmal untröstlich zu Onkel Pericle: »Die einen sind eben auf Rosen gebettet in dieser Welt, und die andern auf Stein.«
    Am nächsten Tag zogen sie zu vierzigtausend durch Rom, ergriffen die Macht, bewaffnet nur mit Gewehren – »Schau da, das Kolosseum; schau da, der Petersdom« –, und dann wieder in den Zug und ab nach Oberitalien. Meine Onkel bis Ferrara und von dort aus weiter mit dem 18  BL nach Codigoro, wo sie sich erschöpft aufs Bett fallen ließen, ohne etwas zu erzählen, Polenta aßen und Tante Bissola Fußtritte versetzten, weil die quengelte, sie sollten doch erzählen: »Erzähl mir von Rom, erzähl mir von Rom.« Todmüde schliefen sie ein, und am nächsten Morgen – Allerseelen eben, frühmorgens, als noch nicht Tag war und sie das Gefühl hatten, sich noch gar nicht hingelegt zu haben – warf meine Großmutter sie raus: »Hier muss ausgesät werden.« Kurzum, der reinste Spaziergang, dieser Marsch auf Rom. Anstrengend, aber doch ein Spaziergang. Und sie ergriffen die Macht.
    Überhaupt kein Spaziergang war das folgende Jahr, 1923 – aber genau deswegen konnten sie es sich viele Jahre später, 1932, erlauben, nach Rom zu fahren und im Palazzo Venezia so einfach anzuklopfen: Klopf klopf , »Wer da?«, »Peruzzi«, wie hätten sie das sonst gemacht? Was hätte sie dazu bringen sollen, sich auf den Weg zu machen?
    Wir waren nun an der Macht. Mussolini war Regierungschef. Noch war es eine parlamentarische Regierung. Es gab Parteien, eine Opposition, Demokratie. Sicher, es war die Demokratie des Königs, aber es war immerhin eine Demokratie nach dem albertinischen Statut, auch wenn man Regierungschef war und sämtliche Präfekten und alle miteinander einem gehorchen mussten; so dass Giolitti anfing, sich Sorgen zu machen: »Willst du sehen, dass ich eine Dummheit gemacht habe? Wer jagt den wieder weg?«
    Dem König aber war es recht so: »Endlich ist da einer, der zu befehlen weiß und mir nicht dauernd auf die Nerven fällt.« Es war nicht mehr ein solches Durcheinander wie früher – das Machtvakuum –, jetzt wusste man, wer befahl, und es gab auch keine Zwischenfälle oder Schießereien mehr. Es gab auch kaum mehr Camere del lavoro, denn entweder hatten wir sie niedergebrannt, und die, die wir nicht niedergebrannt hatten, hatte man in Case del Fascio verwandelt, und die Leute strömten in Massen herbei, um sich einzuschreiben. Man musste sie förmlich wegschicken: »Einschreibung geschlossen.«
    Meine Onkel arbeiteten und basta. Onkel Pericle ging abends nach Codigoro –in die Casa del Fascio, ehemals Camera del lavoro –, nur so, um ein bisschen zu plaudern, Karten zu

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