Canale Mussolini
Peruzzi, diesmal geben wir das Land wirklich den Bauern, nach ein paar Jahren in Halbpacht kann man es freikaufen, und es wird dein Besitz, so wirst du auch Grundbesitzer, Peruzzi, ein Herr«, und Rossonis Gesicht strahlte, während er diese Geschichten erzählte. Wirklich als würde er ihnen das Gelobte Land anbieten.
»In den Pontinischen Sümpfen?«, gab Onkel Pericle wieder zurück. »Neiiiiin, die kenne ich.«
»Aber der Grund wird dein Eigentum! Du wirst Grundbesitzer! Schau es dir wenigstens an, bevor du nein sagst«, beharrte Rossoni.
»Neiiiiin«, rief Onkel Pericle wieder, worauf Rossoni sich an Onkel Temistocle wandte. »Was meinst denn du? Du sagst nie etwas, der Teufel soll dich holen!«
»Ich …«, sagte Onkel Temistocle nur, breitete die Arme aus und machte ein Gesicht, wie um zu sagen: »Jetzt sind wir schon mal bis hierher gekommen, fahren wir auch noch dorthin. Was haben wir zu verlieren? Wir haben A gesagt, da können wir auch B sagen, warum fahren wir nicht hin und schauen es uns an?«
Da sagte Onkel Pericle: »Ist gut, wir sind bis hierher gekommen, fahren wir auch noch dorthin; wir schauen uns das an, was haben wir zu verlieren?«, und sie gingen hinaus.
Rossoni begleitete sie, und während sie noch im Flur standen und sich verabschiedeten, ging eine andere Tür auf, und heraus kam der Duce. Sofort nahmen die Wachposten Haltung an – »Duce!« und römischer Gruß –, und auch meine Onkel standen stramm: »Duce!« mit römischem Gruß. Auch Rossoni deutete mit halb gestrecktem Arm einen Gruß an.
Der Duce ging in eigenen Geschäften vorbei, brachte ein zerstreutes »Heil« hervor, hob der Form halber ebenfalls den Arm, in Gedanken weiterhin bei seinen Angelegenheiten. Aber als er da war – auf Höhe meiner Onkel –, stutzte er einen Augenblick, blieb stehen und sah ihnen ins Gesicht: »Die kenn ich doch, scheint mir.« Runzelte die Stirn, wie um sich auf die Erinnerung zu konzentrieren. Schließlich hatte er sie als Kinder gesehen, und jetzt waren sie erwachsene Männer, und wer weiß, wie viele Leute er in seinem Leben sonst noch gesehen hatte, in all diesen Jahren und bei all den Dingen, die er im Kopf hatte; eine gewisse Ähnlichkeit mit den Eltern musste schon vorhanden sein, und Onkel Pericle wird er einige Male wohl auch gesehen haben, 1919 in Mailand, im »Bau« in der Via Paolo da Canobbio: »Aber mir scheint, auch in San Sepolcro … ich möchte mich nicht täuschen … Wie zum Teufel heißt er nur?« strengte der Duce sein Gedächtnis weiter an. »Ah ja … Peruzzi! Ihr seid Peruzzi«, sagte der Duce.
»Duce! Duce!«, riefen meine Onkel.
»Grüßt mir Eure Mutter«, sagte der Duce, erleichtert, dass ihm der Name eingefallen war, ging weiter und betrat energisch sein Büro. Doch kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, riss er sie gleich wieder auf und schaute mit dem Kopf – nur mit dem Kopf – auf den Gang heraus: »Und die Egge? Funktioniert die Egge noch? Sagt Eurer Mutter, wenn sie etwas braucht, soll sie es mich wissen lassen, nur keine Scheu. Ich kann noch immer gut mit dem Hammer umgehen. Heil!«, und ging.
Auch meine Onkel gingen. Sie kehrten zurück in die Casa del Viaggiatore, zogen schwarzes Hemd, Liktorenschärpe und Milizuniform aus. Sie falteten sie zu einem Päckchen zusammen, das sie hinter den Sattel klemmten. Sie zogen Alltagskleidung an – Hose und Hemd, mit Flicken besetzt – und stiegen wieder aufs Fahrrad. Sie nahmen die Via Appia – die Via dei Castelli –, und strampelnd gelangten sie nach Velletri und dann nach Cisterna und von dort in die Pontinischen Sümpfe und schauten sich ein wenig um. Onkel Pericle konnte feststellen, dass da keine Sümpfe mehr waren – alles trockengelegt –, und Onkel Temistocle sagte: »Siehst du? Immer misstrauisch.« So machten sie auf ihren Fahrrädern kehrt, und nach Ablauf einer weiteren Woche waren sie wieder daheim, wo sie Onkel Adelchi antrafen, vogelfrei. Ja, er sagte sogar: »Wofür zum Teufel seid ihr denn bis nach Rom gefahren? Ich komme allein zurecht, ich bin schon wieder zu Hause!«
Dann erledigten sie die Formalitäten, packten die Koffer, luden die Familie ein und kamen hierher, in den Agro Pontino, Via Valpadana, jenes Potal, wo man uns verjagt und uns alles genommen hatte, unser Vieh und die in jahrelanger Mühe erwirtschafteten Vorräte. Und hier konnten wir zum Glück noch einmal von vorn anfangen, eben weil damals – zehn Jahre zuvor, 1923 – einer von Balbos Leuten zu Onkel
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