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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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wirklichen Preis, sondern nach dem mit der Quote 90 errechneten, der Verfluchte, und am Schluss sagte er auch noch: »Na gut. Mit diesem mageren Vieh komme ich ja nun wirklich nicht auf meine Kosten! Ich hätte noch viele Forderungen, aber die Zorzi Vila sind immer großzügig gewesen, da könnt ihr noch dankbar sein.« Danke sehr, Herr Graf.
    Das letzte Hemd haben sie uns ausgezogen. Eine Hand vorn, eine hinten blieben uns, um uns zu bedecken. Am Hungertuch konnten wir nagen. Und da übermannte meinen Onkel Adelchi die Wut – »Er ist verrückt geworden«, sagte Großmutter –, und er fing an, auf den Grafen und den Verwalter zu schießen, und die Carabinieri legten ihn in Ketten und führten ihn ab.
    Deshalb mussten meine anderen Onkel nach Rom fahren, und sobald Rossoni sie sah, fiel er ihnen um den Hals und hörte gar nicht mehr auf, sie zu umarmen und zu küssen, während er Pförtnern und Wachen Vorwürfe machte, dass sie sie nicht gleich ehrerbietig behandelt und heraufgeführt hatten. Ob das nun gespielt war, weiß ich nicht.
    Rossoni brachte sie jedenfalls rauf, bot ihnen Platz an und ließ sich alles haarklein bin ins geringste Detail erzählen. Während sie redeten, nickte er mit dem Kopf: »Ja, ich verstehe.« Zum Schluss sagte er zu ihnen: »Kommt morgen wieder. Ich höre mich heute noch ein wenig um und überlege, was ich tun kann.«
    Am nächsten Tag gingen meine Onkel wieder hin – und schauten den in der Portierloge zu Recht noch einmal scheel an –, und als sie oben ankamen, sagte Rossoni zu ihnen: »Kopf hoch! Es ist alles gelöst«, und wenig hätte gefehlt, und sie hätten da drin in seinem Büro zu tanzen angefangen.
    Allerdings war nur für Onkel Adelchi alles gelöst; er war auf freiem Fuß, sie hatten schon den Befehl gegeben, er hatte ja niemanden verletzt – »Ein Peruzzi, der nicht zielen kann«, frotzelte Rossoni sie. »Worauf wollte er denn schießen, auf Schmetterlinge?« –, und der Graf hatte sich geeigneten Orts bereit erklärt, seine Anzeige zurückzuziehen. Aber für das Vieh nicht. Da war nichts zu machen. »Da kann ich nichts machen, das ist die Quote 90, und der Graf ist im Recht« – woandershin soll er sich’s stecken, sein Recht. »Das Einzige, was ich tun kann, ist, euch einen Hof oder zwei in den Pontinischen Sümpfen anzubieten.«
    »Die Pontinischen Sümpfe?«, stieß Onkel Pericle entsetzt hervor, denn er hatte diese Sümpfe als Soldat gesehen – wenn auch nur von außerhalb, aus der Ferne, von Cisterna aus. Doch auch von dort aus erahnte man schon die undurchdringlichen Urwälder, die Tümpel und stehenden Wasser und die Menschen mit prallem Blähbauch – auch fünfzehnjährige Kinder, denen die Malaria die Lebern aufschwoll wie Teigtaschen –, ganz zu schweigen von den Toten auf den Straßen und in den Gräben. Und in diesen undurchdringlichen Wäldern Banditen, von denen die Einwohner von Cisterna erzählten: Leute, die bei sich zu Hause – oder auch in Rom – gemordet hatten und sich hierher flüchteten, weil sie hier niemand suchen kam. Sie gingen in die Pontinischen Sümpfe, und das war Freizone, außer sie bekamen es mit der Malaria zu tun oder mit ihresgleichen – denn nur diese zwei hatten da Zugang, bestimmt nicht die Carabinieri oder die rachsüchtigen Angehörigen der Opfer –, und wenn man dort durchkam, sagten die Leute aus Cisterna, überfielen einen die Banditen. Manchmal kamen sie heraus auf die Straßen, bis nach Cisterna oder Terracina und überfielen Wanderer, den Omnibus oder die Postkutsche: »Geld oder Leben.« Die Pontinischen Sümpfe waren Todeszone. Und mein Onkel wusste das, weil er in Cisterna gewesen war und dort fürs Heer Pferde verschickt hatte. »Ja, aber seid Ihr denn verrückt geworden, Rossoni? Entschuldigt, Exzellenz? Wollt Ihr uns wirklich alle vernichten, die ganze Sippe der Peruzzi? Was haben wir Euch denn getan?«
    »Aber nein, Peruzzi, was hast du denn verstanden? Wir haben dort einen Garten Eden geschaffen. Wir haben alles trockengelegt, das ist jetzt nicht mehr wie früher, von so nach so«, und er hielt die Hand vor sie hin, die Handfläche nach unten, und drehte sie plötzlich nach oben: »Von so nach so. Das ist ein Garten Eden geworden, das irdische Paradies, und wir geben das Land den Bauern.«
    »Ich will dieses Land nicht, das ist verpestet! Ich will meins, und ich will mein Vieh.«
    »Das kann ich dir nicht mehr geben. Aber in den Pontinischen Sümpfen Land, so viel du willst. Und dieses Land wird deins,

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