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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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bearbeiten. Auch die Vertragsbedingungen waren gut. Sie waren noch nie so gut gewesen wie beim Grafen Zorzi Vila, den – wegen dieses Vorfalls – der Fascio für uns gefunden hatte, denn er war einer der Großagrarier aus dem Freundeskreis von Balbo. Uns trug er auf Händen – oder so schien es uns wenigstens –, alles lief wie am Schnürchen, und für uns war es Jahr für Jahr nur aufwärtsgegangen, fast zehn Jahre lang, ohne dass wir von Rossoni oder Balbo etwas gehört oder gesehen hätten, ganz zu schweigen von Mussolini, der ja mittlerweile Duce war, alle miteinander in Rom.
    Wir waren bloß Bauern und lebten in Frieden mit Gott und den Menschen. Arbeiten und basta, hieß es jetzt, zufrieden mit unserem Brot und unserer Hände Arbeit. Das Vieh wurde mehr, die Töchter verheirateten sich und die Söhne auch. Neue Kinder kamen auf die Welt, und die Familien wurden größer. Bis plötzlich der Kladderadatsch über uns hereinbrach: die Quote 90.
    Das war 1927, und wie Sie wissen, wurden Außenhandelsgeschäfte damals nicht in Dollar abgewickelt, sondern auf der Basis von Gold und dem englischen Pfund Sterling, das im September 1926 auf 149, fast 150 Lire für ein Pfund Sterling gestiegen war. Die Außenhandelsbilanz stand vor dem Kollaps. Die italienische Industrie steckte in der Krise. Und auch der Weizen – Nahrung fürs Volk, Italien produzierte nämlich immer noch nicht genug davon, so wurde denn auch ein paar Jahre später die »Weizenschlacht« ausgerufen –, wenn man es im Ausland einkaufte, musste man es mit, sagen wir, 150 Lire das Pfund Sterling bezahlen.
    Da sagte er – der Duce – von einem Tag auf den anderen: »Ich werte die Lira auf, von heute an steht sie auf Quote 90, nie mehr als neunzig Lire für ein Pfund«, und sofort fiel der Wechselkurs auf unter 86 Lire für ein Pfund Sterling. Wie er das gemacht hat und welche Tricks er dabei anwandte, das kann ich Ihnen nicht sagen, aber Sie können sich ausmalen, wie erfreut die italienische Großindustrie war, dass sie für Kohle, Eisen, Kupfer und all die Dinge, die sie im Ausland kaufen musste und wofür sie bis zum Tag zuvor, sagen wir, 150 Lire pro Kilo gezahlt hatte, jetzt nur noch 90 bezahlte. Und auch wir Peruzzi sagten zunächst mal: »Donnerwetter, was unser Duce alles kann.«
    Erst später – denn vorerst machten wir mit den Grafen Zorzi Vila weiter wie bisher, das heißt, wir teilten die Ernte nach Zentnern und die Ausgaben in Lire: »Schreibt es an, auf Treu und Glauben, später machen wir dann die Gesamtabrechnung«, sagte der verfluchte Graf jedes Mal – erst später wurde uns klar, dass unser Feld nach wie vor immer nur, sagen wir, zehn Zentner Getreide im Jahr erbrachte, und bis 1926 hatten wir, wenn wir diese zehn Zentner am Markt verkauften, 1500 Lire eingenommen, von 1927 an dagegen nur noch 900. Sehen Sie selbst, wie viel wir dabei draufgezahlt haben und ob es stimmt oder nicht, dass die Quote 90 die italienischen Bauern zugrunde gerichtet hat.
    Und versuchen Sie sich vorzustellen, was sie für uns Halbpächter bedeutete. Sie hat uns regelrecht den Garaus gemacht. Wie waren verpflichtet, den Ernteertrag zur Hälfte an den Grundbesitzer abzutreten – so und so viel Zentner für dich, so und so viel für mich, halbehalbe –, aber eben in Zentnern. Und ebenso waren wir verpflichtet, die Ausgaben zu teilen. Und die hat er – der verfluchte Zorzi Vila – alle in Lire berechnet. Über Jahre angelaufene Schulden, und wir überzeugt, wir hätten sie schon Jahr für Jahr mit einem Teil unserer Ernteerträge in Zentnern abgegolten.
    Graf Zorzi Vila dagegen ließ irgendwann alle sein Halbpächter zusammenrufen und sagte: »Machen wir die Abrechnung.« So und so viel hierfür, so viel dafür, so viel aus dem Jahr 1925, so viel aus ’26 und ’27 bis 1932, da hatte jeder von uns eine Summe zu zahlen, die einem Angst einjagen konnte.
    »Aber die Zentner, die wir zusätzlich abgegeben haben?«, fragten wir alle.
    »Welche Zentner? Hier geht’s um bare Münze, Lire. Legt die Quittungen vor, wenn ihr welche habt«, sagte der Graf.
    »Quittungen? Aber wenn wir doch immer auf Treu und Glauben gemacht haben.«
    »Was heißt hier Treu und Glauben?«, brüllte Graf Zorzi Vila. »Raus mit dem Geld oder den Quittungen, bevor ich die Carabinieri hole.« Und er zeigte allen ihre Abrechnungen und jagte uns davon, nahm sich unser gesamtes Vieh, um auf seine Kosten zu kommen – wie er sagte –, und berechnete es nicht einmal nach seinem

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