Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
Lippenstift, der Lidschatten, die Armbänder am Handgelenk, die Lederbänder am Oberarm, das Silberkreuz um ihren Hals, die schwarzen Lederstiefel   …
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Was hätte ich tun sollen?
    Ich versuchte zu lächeln, aber mein Mund war knochentrocken, meine Lippen klebten in den Winkeln zusammen. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Geisteskranker. Ich wischte mir über den Mund, sah sie wieder an und versuchte mir etwas zurechtzulegen, |14| was ich sagen könnte, doch mein Kopf war leer. Sie reckte ihren Kopf, warf den Blick zur einen Seite, dann lächelte sie und sah mich wieder an.
    »Geile Mütze«, sagte sie.
    Ohne drüber nachzudenken, hob ich meine Hand zum Kopf und berührte die Mütze. Sie war neu – eine schwarze Beanie mit einem Streifen goldener Sterne rings um den Rand. Ich mochte sie wirklich. Mit Mützen ist es nur so – manchmal können sie falsche Signale setzen. Die Leute glauben, du versuchst, etwas Besonderes zu sein – eine Mütze zu tragen, anzugeben, etwas darzustellen, was du nicht bist. Ich weiß nicht   … vielleicht liegt es auch nur an mir, vielleicht bin ich ja paranoid oder so was. Ich meine, ich weiß, es bedeutet nichts – es ist nur eine
Mütze
, verdammt noch mal. Und davon abgesehen, wen kümmert es, was andere Leute denken?
    Mich nicht, offensichtlich.
    Egal, ich hob meine Hand jedenfalls nicht deshalb zum Kopf, weil ich das Mädchen für gemein hielt, sondern ich tat es aus reiner Gewohnheit. Ich wusste, sie war nicht gemein. Es sollte einfach ein Kompliment sein, das war alles.
    Ihr gefiel meine Mütze wirklich.
    Das wusste ich.
    Und was antwortete ich?
    »Oh   … ja.«
    Das antwortete ich.
    Oh   … ja.
    Toll, was?
    Total beeindruckend.
    Cool wie Hölle.
    |15| Und jetzt ging das Mädchen. Sie hatte eine kleine Tragetasche in der Hand zusammengefaltet, die Handtasche zurechtgerückt, sich von der Wand abgestoßen und jetzt ging sie – einfach so. Sie ging. Ein Schwung mit den Hüften, ein kurzes Lächeln über die Schulter   … dann drehte sie den Kopf herum und verschmolz wieder mit dem Chaos.
    Nein
, dachte ich.
    Bleib stehen   …
    Nein   …
    Aber es war zu spät.
    Sie war weg.
    Scheiße.
     
    Ich stand eine Weile da, starrte ihr hinterher und spielte im Kopf die Szene noch mal durch.
Es ist wirklich passiert
, sagte ich mir.
Du hast es dir nicht eingebildet. Es ist wirklich passiert. Sie war da   … und jetzt ist sie weg. Sie war da   …
    Und jetzt ist sie weg.
    Also vergiss es.
    Es war nichts – okay? Sie hat wahrscheinlich eh nicht mit dir gesprochen. Vermutlich hat sie mit einem Freund geredet, mit jemandem, der hinter dir stand   … ja, so war es wahrscheinlich.
    Kein Wunder, dass sie weg ist.
    Denk doch mal nach.
    Sie hält einen Plausch mit jemand, sie sieht diesen Knaben mit der bescheuerten Mütze und einer XXX L-Kapuze   … sie sieht ihn dastehen, glotzend mit offenem Mund, heraushängender Zunge und sabbernd wie ein Vollidiot   …
    Was, glaubst du, wird sie tun?
    |16|
Ihn zum Tanzen auffordern?
     
    Ich schüttelte den Kopf, machte mich auf und versuchte, nicht drüber nachzudenken, nicht über
sie
nachzudenken – über die Art, wie sie dagestanden und mich angesehen hatte, die Art, wie sie ihren Kopf gereckt und gelächelt hatte, die Art, wie sich ihre Haut um die Hüften herum leicht gewölbt hatte, wie das sanfte Wallen eines blassen, hellen Meers   …
    Himmel noch mal, Joe   …
    Denk
nicht mal dran.
    Ich war inzwischen von einer Horde Fußgänger verschluckt worden und mit dem Strom weitergetrieben. Ich wusste nicht recht, wohin ich ging. Ich wollte mich umdrehen, um aus der Menge herauszukommen, aber es waren zu viele Menschen, die sich in dieselbe Richtung bewegten, jemand fluchte, dass ich im Weg stünde, dann stieß mir ein anderer in den Rücken, deshalb beschloss ich, dass die Massen möglicherweise ohnehin in meine Richtung gingen, also konnte ich genauso gut mit dem Strom schwimmen.
    Wir überquerten eine verkehrsreiche Straße, warteten auf einer Fußgängerinsel, dann überquerten wir die Straße weiter bis zur anderen Seite. Als sich die Menge aufzuspalten begann und in verschiedene Richtungen fortging, trat ich zur Seite, gelangte hinter einen Briefkasten und schaute mich wieder um, wohin mich die Strömung getragen hatte. Ich sah eine Kreuzung, eine weitere Fußgängerinsel, noch eine Kreuzung, ein paar Burger-Restaurants, eine Bank, mehrere Cafés, eine Wechselstube, jede Menge

Weitere Kostenlose Bücher