Cantz schoen clever
Ersatzteilen zu suchen. Ich sehe den Aushang am Schwarzen Brett des Altenheims schon vor mir: »Gut erhaltenes künstliches Hüftgelenk abzugeben. Einziger Nachteil: Opa ist noch dran.«
Ich persönlich möchte gar nicht um jeden Preis hundert Jahre alt werden. Auch wenn mein großes Vorbild Johannes Heesters bewiesen hat, dass man auch mit über einhundert Jahren noch auf der Bühne stehen kann. Gut, am Ende war er nicht mehr mit seinem Theaterensemble unterwegs, sondern mit Körperwelten . Das kennen Sie, oder? Seit 1996 zeigt der Anatom Gunther von Hagens unter diesem Titel plastinierte menschliche Körper und Körperteile. Über 33 Millionen Menschen haben die wohl größte Leichenschau der Welt bereits gesehen. Falls Ihnen die Schau nichts sagt, derName Gunther von Hagens Ihnen aber trotzdem bekannt vorkommt, dann haben Sie wahrscheinlich den James-Bond-Film Casino Royale gesehen. Dort hatte der umstrittene Aufschneider einen einsekündigen Gastauftritt. Man mag von seiner Zurschaustellung toter Körper halten, was man will, aber eins steht fest: Körperwelten ist eine kostengünstige Alternative bei der Entsorgung lieber Verwandter. Wenn Opa sich nach seinem Tod als Ausstellungsobjekt zur Verfügung stellt, fallen keine Bestattungskosten, kein teurer Sarg und keine jahrzehntelange Grabpflege an. Stattdessen wird er ein paar Mal über den Gurkenhobel gezogen, seine Überreste reisen in fremde Länder, und die Menschen lernen noch von Opa. Wer hätte das gedacht? Unter diesem Gesichtspunkt muss ich sagen: Von Gunther von Hagens und seiner Methode, selbst Toten noch eine gesellschaftliche Aufgabe zukommen zu lassen, können wir uns alle eine Scheibe abschneiden.
Die Welt rennt dem cleveren Anatom seit mehr als 15 Jahren die Bude ein. Dabei ist das, was von Hagens macht, nichts Neues. Haltbar gemachte Leichname haben uns Menschen schon immer fasziniert. Nur reisten diese früher nicht als morbider Wanderzirkus um die Welt, sondern man musste sich selbst zu den ägyptischen Pyramiden aufmachen.
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GUT ZU WISSEN
Die alten Ägypter erhoben die Mumifizierung von toten Körpern zur Wissenschaft und entwickelten ihre Frischhalte-Technik bis zur Perfektion: Zuerst wurde die Leiche mit Natron gewaschen, um den Zellen die Feuchtigkeit zu entziehen. Ineinem zweiten Schritt benutzte der Präparator einen langen Haken, um über die Nase oder den Hinterkopf das Gehirn zu entfernen. Durch einen kleinen Schnitt links unten am Bauchraum entfernte man schließlich die meisten Organe. Diese erstaunlich moderne Vorgehensweise findet heute noch Nachahmer: Fernsehkoch Johann Lafer zum Beispiel nimmt seine Weihnachtsgans nach genau dieser Methode aus.
Doch zurück zu den alten Ägyptern: Um den Verwesungsprozess aufzuhalten, wurde der Körper ausgewaschen und rund sechs Wochen ein weiteres Mal mit Natron bedeckt. Erst danach fand die eigentliche Einbalsamierung statt, die – vereinfacht gesagt – nichts anderes ist als die historische Version des Auftragens einer Anti-Falten-Creme. Bevor der Leichnam in einem letzten Schritt in ein oft viele hundert Meter langes Tuch eingewickelt wurde, stopfte man dem Verstorbenen den Kopf mit Sägespänen und den Brustraum mit Natron-Beuteln aus. Keine Ahnung, warum ich im Moment an Daniela Katzenberger denken muss …
Aber auch die Natur ist in der Lage, ganz ohne menschliches Zutun Leichen zu konservieren. Starb ein Mensch vor vielen tausend Jahren im Eis, in Regionen mit extremer Trockenheit oder im Moor, hat er gute Chancen, heute mehr oder weniger frisch aufgefunden zu werden. So geschah es 1991 mit dem Similaun-Mann, der den meisten sicherlich unter seinem Spitznamen geläufig ist: Ötzi. Er wurde in einem Gletschergebiet in Südtirol gefunden und ist mehr als 5000 Jahre alt. Als man ihn fand, sah er frischer aus als viele meiner Kumpels nach einem ganz normalen Junggesellenabschied.
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Ich erinnere mich noch gut daran, als die Nachricht von Ötzi erstmals durch die Presse ging. Noch bevor die ersten wissenschaftlichen Analysen zu seiner Herkunft vorgenommen worden waren, kursierte schon die Comedy-Variante unter uns Berufsspaßvögeln. Sie ging so:
Eine Gruppe von Wissenschaftlern rätselt über die Herkunft von Ötzi. Sie arbeiten per Ausschlussverfahren:
Österreicher kann er nicht sein, man hat Hirn gefunden. Er ist ganz sicher auch kein Italiener, denn er hatte Werkzeug dabei. Vielleicht ist er ein Schweizer. Dafür spricht, dass er von einem Gletscher überholt wurde.
Aber
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