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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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über den Horizont. Ihre warmen Strahlen vertrieben die Nebelschleier von der Ebene und brachen sich golden auf den verstreut liegenden Seen. Mit einem Seufzer wandte ich mich ab und zog mich in die Höhle zurück.
    Ohne dass ich es verhindern konnte, schweiften meine Gedanken zu meiner Mutter. Ich fragte mich, was sie in diesem Moment wohl tat, oder ob auch sie an mich dachte. Sie hatte den Morgen immer geliebt. Als mein Vater noch gelebt hatte, hatte sie mich manchmal mit einem Lied geweckt.
    Schwerfällig ließ ich mich auf mein Lager sinken und starrte in die Flammen.
    „Woran denkst du?“, fragte Arun. Seine Stimme wurde von den Felsen hin und her geworfen.
    Ich fuhr mit den Fingern durch mein stoppeliges Haar und rieb über mein Gesicht, bis Lichtpunkte vor meinen Augen tanzten. „An meine Mutter“, sagte ich schließlich.
    Arun schwieg.
    Ich stützte mein Kinn auf die Knie, zog umständlich die Schuhe aus und stellte sie neben das Feuer, damit sie trocknen konnten. Dann legte ich mich auf den harten Boden und wickelte die Decke um mich. Bereits jetzt konnte ich spüren, wie die feuchte Kälte der Höhle in meine Knochen drang.
    „Arun?“, fragte ich nach einigem Zögern. „Glaubst du, ich war zu hart zu ihr?“
    Er sah mich über das Feuer hinweg an. „Du hast getan, was du tun musstest.“
    Ich seufzte, kuschelte mich tiefer in meine Decke und schloss die Augen. In den Tiefen der Höhle tropfte Wasser von den Felsen, schlug auf Pfützen und Steine. Dort herrschten Finsternis und Geborgenheit vor jeglichem Licht.
    „Ich weiß“, flüsterte ich. „Dennoch …“
    „Ach, Cara.“ Arun hatte sich erhoben und machte einen großen Schritt über das Feuer. Er hatte sich kaum zu mir gelegt und seine Arme um mich geschlossen, da liefen mir schon die ersten Tränen über die Wangen. Ich drehte mich zu ihm, krallte meine Hände in sein Hemd, atmete den tröstlichen Geruch nach Tannenharz und Regen und weinte.
    Als ich am folgenden Abend aus der Höhle trat, traf mich fast der Schlag. Mein erster Gedanke war, dass ich mir nicht so viele Hoffnungen hätte machen sollen, damit ich die tiefe Enttäuschung, die ich nun empfand, besser verkraften könnte.
    Arun lehnte mit vor der Brust gekreuzten Armen an einem Felsen und schaute auf die sumpfige Ebene hinab, die am Morgen noch ein Wald gewesen war.
    Ich lief zu ihm hin, fasste ihn am Arm und zeigte mit dem anderen auf die baumleere Fläche. „Hast du … sind wir … was ist … Arun!“
    Er öffnete den Mund, um zu antworten, runzelte die Stirn, schloss ihn wieder und hob beide Arme in einer Geste vollkommener Ratlosigkeit. „Das ist … unerwartet“, brachte er schließlich zustande.
    Am Himmel türmten sich Gewitterwolken auf und in diesem Moment fühlte ich mich ihnen sehr verbunden.
    „Unerwartet?!“ Ich schüttelte Arun, was nicht einfach war, wenn er wie an den Fels gewachsen dastand. „Wo ist der Wald?“
    Er warf mir einen hilflosen Blick zu. „Ich schätze, da will uns jemand ärgern“, überlegte er laut und machte eine vage Geste in Richtung des Sumpfes. „Oder testen.“
    Ich starrte ihn an und dann hinunter auf die Ebene. „Das“, sagte ich mit mühsam zurückgehaltener Wut, „sind genau die Worte, die ich nicht mehr hören kann.“ Meine Fäuste öffneten und schlossen sich. „Arun.“
    Er sah mich misstrauisch an. „Cara?“
    „Bring mich da runter.“
    Er hob eine Braue, doch dann legte er einen Arm um mich. Der Vorhang aus Dunkelheit hob sich von meinen Augen und ich stand inmitten von Schlick und welkem Gras. Ich sah mich nach allen Seiten um, doch nirgendwo konnte ich auch nur die Spur eines Waldes erkennen. Keine Äste, Wurzeln, Blätter, Nadeln oder aufgewühlte Erde. Nichts. Ich sank in die Hocke. Über mir schüttelte ein Donnergrollen die Wolken und ich empfand es als Echo meines eigenen Zorns.
    „Hey“, schrie ich und drosch auf die Erde ein. „Wo bist du, du verdammter Wald? Zeig dich!“
    Erste Tropfen fielen auf mich hinab und regneten auf das faule Gras und den Schlamm.
    „Ihr wollt mir eine Lehre erteilen?“, rief ich und riss büschelweise Gras aus. „Ich werde euch eine Lehre erteilen.“
    Arun legte eine Hand auf meine Schulter. „Cara, du solltest nicht –“
    „Lass mich“, fuhr ich auf und schlug nach ihm. Mittlerweile prasselte der Regen gnadenlos auf uns herab und hüllte die Ebene in einen dichten grauen Schleier. Ich war noch nicht fertig mit meinem Wutanfall und drosch weiter auf die Erde

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