Caras Gabe
ein.
„Cara, nicht!“, rief Arun über das Geräusch des Regens hinweg. „Sie spüren deinen Zorn. Du wirst sie aufwecken!“
Ich hörte auf mit den Fäusten auf die Erde einzuschlagen und sah ihn verwundert an. „We-Was? Waaaaaaah!“
Eine graue Hand schoss aus dem Boden und packte mein Handgelenk. Ihr Griff war so fest, dass ich fürchtete meine Knochen brechen zu hören.
Arun war sofort bei mir. Seine Hände umklammerten den Arm, der aus der Erde ragte. Ich sah wie die Muskeln an seinem Hals hervortraten. Dann brach der Arm mit einem dumpfen knacken ab, doch die schlammige Hand war noch immer um mein Handgelenk geschlungen. Ich hob den Arm an und starrte darauf. Die Knochen bestanden aus dunklem Holz und die Haut war mit Schlick und Gras verwoben. Angewidert schüttelte ich meinen Arm, doch der andere fiel nicht ab.
„Moorwesen“, sagte Arun neben mir und zog mich auf die Beine, „mögen es nicht, wenn man auf ihren Gräbern flucht. Sie reagieren recht –“
Plötzlich begann der Boden unter unseren Füßen zu brodeln. Mit einem Schrei sprang ich zurück. Donner grollte und dann barst die Erde unter mir auseinander, um hunderte von Armen und anderen Körperteilen auszuspeien, die sich auf mich warfen und nach mir griffen. Ich fühlte mich von allen Seiten gepackt und kreischte wie von Sinnen.
Kein vernünftiger Gedanke wollte sich mehr in meinem Kopf formen, alles, was blieb, waren Leiber aus grauem Schlick mit Knochen aus Holz, die mich zu ersticken drohten. Ich schlug um mich, drosch auf Schlammgesichter und aufsteigende Körper ein, die sich an mich klammerten und versuchten mich hinunter auf die schlüpfrige Erde zu zerren.
Die Flut der Leiber war einfach zu groß. Ein schweres, glitschiges Moorwesen warf sich von hinten auf mich und ich konnte es nicht mehr abschütteln. Ich sank in die Knie. Schlammhände hieben nach meinem Gesicht, legten sich über meinen Mund und zogen mich ins morastige Gras.
Ein markerschütterndes Brüllen erscholl, dicht gefolgt von einem Donnerschlag, der die Welt erzittern ließ. Die stinkenden Hände fielen von mir ab. Ich fuhr herum und im nächsten Moment brach das Biest durch die Moorwesen. Seine Krallen und Zähne zerfetzten ihre Leiber, als wären sie nichts weiter als Strohpuppen. Der graue Schlamm, der von ihren Gesichtern troff, erstickte ihre eigenen Schreie.
Als hätte das Auftauchen des Biestes den Zauber gebrochen, zerflossen die Moorwesen und tropften zu Boden. Ihre Leiber fielen auseinander und sickerten zwischen dem gelben Gras hindurch, zurück an den Ort, von dem sie gekommen waren. Wo auch immer das sein mochte. Mit ihrem Verschwinden ließ auch der Regen langsam nach.
Noch immer kampfbereit und schwer atmend stand ich da. Vorsichtig machte ich ein paar Schritte rückwärts. Ich traute diesem plötzlichen Frieden nicht. „Arun?“
Das Biest war ebenso verschwunden wie die Moorwesen. Suchend drehte ich mich im Kreis. Zu meiner Linken regte sich die Dunkelheit und wenig später trat der Dämon daraus hervor. Er hatte nicht einmal einen Spritzer auf seinem Umhang. Triefend vor Schlamm, zitternd vor Kälte und dem Nachbeben meiner Panik, schaute ich ihm entgegen. Ich fühlte mich ein wenig kläglich.
„Das war schrecklich“, keuchte ich und wischte mir den stinkenden Schlick aus den Augen.
Arun sah aus, als sei ihm etwas im Hals steckengeblieben.
„Was hast du?“, fragte ich und schüttelte mich. Wind war aufgekommen und nun fror ich erbärmlich.
Er presste die Lippen aufeinander.
Schlamm floss über meine Lippen. Ich spuckte aus. „Ihr Götter! Ist das widerlich.“
Arun konnte nicht länger an sich halten. Er presste eine Hand vor den Mund, doch ein leises Glucksen entschlüpfte ihm.
Ich funkelte ihn an und hob mahnend einen Finger. „Wag es nicht!“
Es war zu spät. Der Dämon brach in schallendes Gelächter aus.
Ungläubig starrte ich ihn an. Dann wandte ich mich ab, stapfte davon und sank vor einem flachen Felsen, der aus dem Gras ragte, nieder.
Mit einem entschlossenen Knurren gelang es mir, endlich den Klammergriff der Moorwesenhand von meinem Arm zu lösen. Ich schleuderte sie so weit von mir fort, wie ich konnte. Mit einem dumpfen Geräusch landete sie im Gras. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an den Felsen hinter mir. „Nie wieder“, stöhnte ich, „niemals wieder werde ich meine Wut an Schlamm auslassen.“
Arun brach vor Lachen in die Knie.
„Scheißviecher“, murmelte ich.
Sein Lachen wurde nur noch lauter.
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