Caravan
meine ersten eigenen Lektionen in der Liebe gelernt
hatte?
Ich begann, im Kopf eine neue Geschichte zu spinnen. Die Geschichte einer Leidenschaft, einer immerwährenden Liebe, die Geschichte
von zwei Menschen, die aus verschiedenen Welten kamen, doch nach etlichen Umwegen vom Schicksal zusammengeführt wurden. Die
Heldin war noch Jungfrau. Der Held hatte starke, sonnengebräunte Arme.
Unten wurden die Stimmen lauter, und die Gitarrenmusik hatte aufgehört. Anscheinend fand eine angeregte Diskussion statt,
hier und da von lautem Lachen unterbrochen. Plötzlich fing der Wohnwagen fürchterlich zu schwanken und zu wackeln an. Ich
setzte mich bebend auf. Typisch, dachte ich, ausgerechnet heute – in
unserer
Nacht – fällt der |357| Wohnwagen vom Baum. Aber dann merkte ich, dass es wackelte, weil jemand die Strickleiter heraufkletterte. Mein Herz schlug
schneller. Einen Augenblick später öffnete Andrij die Tür. Er lächelte nervös und hielt einen Strauß Heidekraut in der Hand.
»Das habe ich für dich gepflückt, Irina.« Er setzte sich auf die Bettkante und überreichte mir den Heidestrauß und sah mich
dabei mit diesem intensiven Blick an. »Du bist so schön wie ein grüner Baum im Mai.«
Ich vergrub mein Gesicht in der Heide, die immer noch nach Sommer und nach Honig roch, damit er nicht sah, wie ich grinste.
Auf der Skala der Romantik war das vielleicht drei von zehn.
Dann legte er sich neben mich aufs Bett und berührte zärtlich meine Wange. Als er mich in seine Arme zog, spürte ich, wie
ich dahinschmolz. Er küsste mich, mit den Lippen, mit der Zunge, streichelte mich am ganzen Körper und flüsterte meinen Namen.
Mmmh. Vielleicht sieben von zehn. Im Kerzenschein flackerten die Schatten unserer Körper an der Wand – verschwommen, schemenhaft
zuckten sie über die gekrümmte Decke. Als er mich zwischen den Beinen berührte, war das Gefühl so überraschend und heftig,
dass ich aufschrie. Okay, an diesem Punkt hörte ich mit der Bewertung auf. Ich erinnere mich nicht einmal, wie er mich auszog,
aber irgendwie fielen die Kleider von uns ab, und wir lagen nackt, Haut an Haut, auf dem Bett. Die Kerze erlosch, und der
Mantel der dunkel werdenden Blätter hüllte uns ein.
Plötzlich erhob sich ein Wind im Geäst, und mit einem Mal brach der Sturm los, eingeläutet von grollendem Regen, der aufs
Dach prasselte, brüllendem Donner und einem festlichen Blitzgeflacker um uns herum, als würde der Himmel Karneval feiern.
Der kleine Wohnwagen bockte und |358| schlingerte im Blättermeer. Der Regen trommelte gegen die dünne Aluminiumhaut, und von Zeit zu Zeit schlitzte ein Blitz die
Dunkelheit auf wie eine Rasierklinge. Ich hatte wirklich Angst, dass er in unseren Baum einschlagen und alles in Flammen aufgehen
würde.
»Hab keine Angst, Irinotschka«, sagte Andrij und drückte mich fester an sich.
Und so gaben wir uns einander hin, in der Nacht des großen Sturms.
Ja, es war sehr romantisch. Ja, es tat ein bisschen weh, aber meine Gefühle waren so intensiv, dass ich erst später merkte,
wie wund ich war. Ja, ich hatte Angst, schwanger zu werden, aber er holte etwas aus der Tasche, das aus rosa Gummi war und
nach Erdbeeren roch. Nein, dieser Teil war nicht so romantisch, das gebe ich zu, aber es war verantwortungsvoll von ihm, und
auch das ist ein Zeichen von Liebe. Und ja, er liebt mich immer noch, denn am Morgen kletterte er die Strickleiter hinunter
und kam mit Brot und Tee zurück, und wir verbrachten den halben Morgen im Bett und redeten von der Zukunft und über all die
Orte, die wir nach Sheffield bereisen würden, und über all die Dinge, die wir tun würden. Und dann machten wir noch einmal
Liebe.
Nein, ich bin nicht derselbe Mensch, der ich gestern war.
ICH BIN HUND ICH LAUFE ICH LAUFE MIT MARYJANE ICH BIN VERLIEBT SIE IST BRAUNE HÜNDIN SCHNELL UND SCHLANK HÜNDIN RIECHT GUT
LIEBESHORMONE ICH SCHNUPPER SIE SCHNUPPERT ALLE HUNDE LAUFEN IHR NACH ABER SIE LÄUFT MIT MIR WIR LAUFEN IM STURM IM REGEN
WIR LAUFEN IM MONDLICHT WIR LAUFEN IM SCHATTEN ICH GEBE IHR MEINE WELPEN ICH LIEBE ICH LAUFE ICH LAUFE ICH BIN HUND
|359| Bevor sie am nächsten Tag weiterfahren, steigen Andrij und Rock auf die Buche, um den Wohnwagen wieder festzuzurren. In der
Nacht ist eins der Spannseile gerissen, der Wohnwagen hängt schief, und die Achse klemmt zwischen zwei Ästen.
»Ganz schön Glück gehabt«, sagt Rock, »oder Pech, wie man’s nimmt.«
»Es war
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