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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Herbst. Mein Paps ist an Lungenkrebs
gestorben. Sie hätten einen Marlboro-Werbespot machen sollen aus seinen letzten
Tagen mit all den Schläuchen und Schmerzen und kleinen Demütigungen. Und
trotzdem stieg immer noch diese leise Gier nach einer Zigarette in mir auf,
griff ich automatisch nach meiner Tasche, als würde ich ein Päckchen Kool darin
finden.
    «Was darf‘s denn sein?» Der
Barmann rauchte, und ich sog den Rauch ein. Ich weiß, daß das Selbstbetrug ist
und schädlich und was weiß ich noch alles, aber Teufel auch, man kann
schließlich auch von einem Mercedes aus Gold überfahren werden und nach kurzer,
jäher Verzückung hin sein.
    Ich bestellte ein Harp vom Faß
und erntete ein anerkennendes Lächeln für meinen irischen Sachverstand. Ich
hatte mal einen irischen Freund vom Boston College. Der Barkeeper zapfte los,
und ich lehnte mich zurück, um meine drei Taxifahrer im Spiegel beobachten zu
können. Sie schienen nicht auf einen weiteren Genossen für den einen leeren
Stuhl zu warten. Offenbar fand eine heftige Diskussion statt. Ich wünschte, sie
würden lauter reden, damit ich mithören konnte.
    Der Barmann kam mit einem
schäumenden Glas zurück und stellte es ganz sachte vor mir ab, um den Schaum
nicht zu verderben. In seinem jugendlich frischen Gesicht stand ein anziehendes
zahnlückenreiches Grinsen. Er sah aus wie der beste Beweis für die Güte seiner
Ware. Er sah aus, als würde er sich selbst anzeigen, wenn er je an einen
Minderjährigen ausschenkte.
    Geh nie in eine Kneipe, um
Männer aufzugabeln. Ein paar junge Burschen in einer Ecke klatschten sich
gegenseitig kichernd auf die Schultern, und ziemlich bald würde einer zu mir
herüberkommen und mir ein Angebot machen, das ich leicht ablehnen konnte.
Vielleicht lag es an ihrer kollektiven Lüsternheit, daß ich meine Lizenz aus
der Geldbörse gleiten ließ, als ich das Bier bezahlte. Der Barmann warf einen
Blick darauf.
    Manchmal bin ich raffiniert,
manchmal nicht. Ich hatte das Gefühl, lieber im Einvernehmen mit dem Typen zu
sein, falls die Halbstarken in der Ecke zu rüpeln anfingen oder Mooney auf
einen Plausch herüberkam. Außerdem kam mir der Barkeeper wie jemand vor, der
seinen Spaß an einer kleinen Intrige hat.
    Seine Augenbrauen schossen in
die Höhe, und er grinste. Es war ein nettes Grinsen, ohne merkliche
Ungläubigkeit. «Sie möchten mir ein paar Fragen stellen, richtig?» sagte er,
als ob er nur auf den Tag gewartet hätte, an dem jemand vorbeikäme und genau
das täte. Er schaute sich um wie in vager Hoffnung, Fernsehkameras auf sich
gerichtet zu sehen. Das Fernsehen hat praktisch das ganze Ermittlungsgeschäft
versaut. Die Leute haben jetzt so unrealistische Erwartungen.
    «Eugene Devens», sagte ich im
Flüsterton, meiner angenommenen Rolle getreu.
    «Gene», pflichtete der Barmann
bei.
    «Ja.»
    «In Schwierigkeiten?»
    «Keine Schwierigkeiten.»
    Er warf einen kurzen
Feldherrenblick umher. «Er ist nicht hier.»
    «Ich weiß.»
    «Ach so.»
    «Ist er oft hergekommen?»
    «Warum?»
    «Zapfen Sie sich ein Bier»,
sagte ich, «geht auf meine Rechnung.»
    «Warum?» wiederholte er noch
einmal und langte nach einem Glas. Er rieb mit einem angegrauten Geschirrtuch
ein paar Flecken blank.
    «Seine Schwester hat ihn ein
paar Tage nicht gesehen. Sie macht sich Sorgen.»
    «Seit wann braucht ein Typ in
dem Alter eine Erlaubnis, um auf Tour zu gehen?»
    «Eins zu null», sagte ich. «Ist
er auf Tour?»
    Er zuckte die Achseln.
«Wahrscheinlich nur eine Spritztour. Hartes Leben mit ‘ner Schwester.» Er
sprach mit Gefühl, und ich fragte mich, wie es wohl um seine häuslichen
Verhältnisse bestellt war.
    «Sie kennen ihn ziemlich gut.»
    «Mich interessieren meine
Kunden eben.»
    «Hat er mit dem Verein da
hinten an dem großen Tisch zusammengehangen?»
    «Warum?» sagte er mit
strahlendem Lächeln.
    «Wie heißen Sie?»
    «Billy.» Er starrte auf meine
Lizenz hinunter. «Carlotta. Gibt es dazu einen passenden Spitznamen?»
    «Nee», sagte ich und sann
darüber nach, warum Barkeeper immer Kleinjungen-Namen haben. «Also angenommen,
Gene Devens hätte es satt gehabt, auch nur eine Nacht länger mit seiner
Schwester zusammenzubleiben, wohin würde er dann gehen?»
    «Nach Irland», sagte Billy im
Brustton der Überzeugung. «Irland.»
    «Hat er davon gesprochen,
abzuhauen?»
    «Dauernd. Hat praktisch von
nichts anderem gesprochen. Er hat die alte Heimat seit seiner Kindheit nicht
mehr gesehen, wissen Sie, aber er hatte eine

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