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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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verkauft. Steve’s gehört also jetzt Joey, und Herrell’s gehört Steve.
    Denken Sie daran, wenn Sie mal
nach Boston kommen.
    Ich bekam einen großen Becher
Mokkaeis mit M&M-Murks-ins. Eigentlich heißen die guten Sachen, die in das
Eis gemischt werden, Mix-ins, aber — richtig geraten: Steve hat den Namen an Joey
verkauft, und jetzt heißen sie eben Murks-ins. Für einen Erwachsenen
entwürdigend, dort zu bestellen, aber ich habe mich daran gewöhnt. Mooney
bestellte Vanille, kaum zu glauben! Ich wüßte gern, ob ich wohl je einen Kerl
lieben könnte, der Vanilleeis bestellt.
    Die Ausstattung von Herrell’s ist nicht vom Feinsten. Wenige runde Tischchen und ein paar Marterstühle aus
Draht verstecken sich in einem Winkel. Mooney und ich schnappten uns den
abgelegensten Platz, den wir finden konnten. Ein Teenager saß neben einem
blondgefärbten stacheligen Irokesen an einem Tisch auf der anderen Seite des
Ganges. Ihre Ohren waren durchstochen. Genauer gesagt, das rechte Ohr war
einmal durchstochen und mit einer gewöhnlichen Sicherheitsnadel geschmückt. Das
andere war fünfmal durchstochen und mit fünf verschiedenen Ohrringen behängt,
darunter einer mehrstufigen vielfarbigen Bergkristallkreation, die ihre
Schulter streifte. Ich starrte sie unverhohlen an — bestimmt wollte sie das
auch.
    Sie blickte finster drein. Ich
würde Roz von diesen Ohrringen erzählen müssen. In allen Einzelheiten.
    «Und wie geht’s Paolina?»
fragte Mooney.
    Ich lächelte. Paolina ist meine
kleine Schwester. Keine richtige Schwester. Ich bin ein Einzelkind. Als ich
noch bei den Bullen war, trat ich diesem Verein bei, Big Sisters, den großen
Schwestern. Sie weisen dir ein Kind zu, das eine ältere Freundin gebrauchen
kann, eine Art Bezugsperson. Ich hatte Glück. Ich bekam Paolina.
    «Sie ist jetzt zehn Jahre alt»,
sagte ich, «denk doch nur! Hatte letzte Woche Geburtstag.»
    «Habt ihr gefeiert?»
    «Und ob. Ich habe sie zum
Ballett mitgenommen. Ich hatte sie gefragt, was sie am liebsten hätte, und das
wünschte sie sich, das Bostoner Ballett. Sie muß es mal im Fernsehen oder
sonstwo gesehen haben. Ich war noch nie da gewesen. Es war mir peinlich, ihr
das zu sagen, also gingen wir einfach hin. Und sie schaute zu. Wirklich, ich
habe nie jemanden so zuschauen sehen. Ein paarmal kam es mir so vor, als hätte
sie den Atem angehalten. Ihre Augen, du meine Güte, riesengroß. Es war, als
wolle sie sich jeden Augenblick einverleiben, einprägen, für alle Zeiten
bewahren. Was mich betrifft, ich fand’s ganz gut, das Tanzen, aber ich habe
doch lieber sie beobachtet. Dann habe ich sie noch zu einem Eis eingeladen, und
danach ging’s heim.»
    «Nett», sagte Mooney. Er ist
auch geschieden. Seine Mutter zog zu ihm, als sein Vater starb.
    «Es gibt auch die Großen
Brüder, Mooney», sagte ich.
    «Ich brauche keinen Bruder,
Carlotta.»
    Ich schlug die Augen nieder und
widmete mich meinem Eis. Daran wollte ich nicht rühren, jedenfalls nicht,
nachdem er den Satz so seltsam betont hatte. Um ehrlich zu sein: Ich fand
Mooney in jener Nacht ziemlich attraktiv, aber ich kämpfte dagegen an. Ich habe
mich frühzeitig vom Mann-Frau-Geschäft zurückgezogen. Mir einen ehrenvollen
Abschied gegönnt.
    «Carlotta?» Ich konnte an
seiner etwas heiseren, tiefen Stimme hören, daß ich so leicht nicht davonkommen
würde. «Sag mal», sagte er, als ich aufsah, «willst du nicht mal mit mir
ausgehen?»
    Ich biß kräftig auf ein
gefrorenes Stück M&M. «Nein.»
    «Weißt du, Carlotta, ich habe
es schon irgendwie kapiert, als wir beide Cops waren. Das gleiche Kommando, und
ich im höheren Dienstgrad und all das. Es hätte unangenehm sein können, aber
jetzt —»
    «Nein.»
    «Ich glaube einfach nicht, daß
ich dich so anwider.»
    «Ärgere dich nicht, Mooney.
Bitte. Du widerst mich nicht an.»
    «So?»
    Wie soll man es erklären?
Irgendwie brachte ich es nicht fertig, Mooney in einem gottverdammten Eissalon
zu sagen, daß ich mir mein Leben eingerichtet hatte, auch ohne Sex. Hier war in
meinen Augen weder die Zeit noch der Ort, um von den ewigen einsamen
Kneipenbesuchen zu erzählen, auf die ich verfallen war, nachdem Cal und ich uns
getrennt hatten. Zurückgezogenheit, Enthaltsamkeit, Leere... nichts mehr
— alles war, verflucht noch mal, besser als das. Eines Tages würde ich
vielleicht stark genug sein, die schlafenden Dämonen wieder zu wecken.
    «Ich bin noch nicht so weit»,
sagte ich lahm.
    «Du siehst aber so aus. Es ist
schließlich eine

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