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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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genaue Vorstellung davon. Alles,
was hier schlecht ist, muß dort gut sein. Als ob Irland in seinem Kopf genauso
geblieben wäre wie in seinen Kindertagen, während dieses Land hier inzwischen
auf den Hund gekommen ist, verstehen Sie?»
    «Ja.»
    «Grüne Felder. Hübsche Mädchen,
die nichts dagegen haben, wenn man’s ihnen auch sagt.»
    «Ist Gene nicht langsam zu alt
für so was?»
    «Gene nicht.»
    «Hat er eine Freundin? Ein
Mädchen?»
    «Er hätte sie nicht hierher
mitgebracht. Sie sehen doch, wie die Alten hier Ihretwegen mit der Zunge
schnalzen. Das ist eine Kneipe. Die Männer kommen nach der Arbeit her. Die
Frauen bleiben zu Hause.»
    «Wie altmodisch. Hat Gene eine
Frau erwähnt? Ein Mädchen?»
    «Nee .»
    «Was hat er denn so erzählt?»
    «Von der alten Heimat
natürlich. Der ruhmreichen Revolution. Den schrecklichen Briten. Den großen
Dichtern.»
    «Großartig.»
    «Gene und ich waren gute
Freunde.» Billy trank sein Bier aus und wischte sich mit dem Handrücken den
Schaum von den Lippen. «Warten Sie’s ab. In ein paar Tagen kriege ich bestimmt
Post von ihm. Aus Dublin vielleicht. Wünscht sich all seine alten Kumpel nach
dort.»
    «Hatte er das Geld für so eine
Reise?»
    «Er hat ja gearbeitet. Hat Taxi
gefahren.»
    Zumindest sprachen wir von ein
und demselben Typen. Ich schob eine meiner Karten über die Theke. «Rufen Sie
mich an, wenn Sie von ihm hören», sagte ich.
    Ein Kerl am anderen Ende der
Theke gab durch Zeichen zu verstehen, daß er noch einen Scotch wollte, und
Billy verschwand. Ich trank schlückchenweise mein Bier, das stark und kalt war,
wenn auch nicht meine Lieblingssorte.
    Irland. Geht ein Mensch ins
Ausland, ohne sich von seiner Familie zu verabschieden und ohne einen Koffer zu
packen? Wenn Gene in Irland war, warum hielten sich die alten Käuze dann so
bedeckt? Warum feierten sie nicht die Rückkehr des Sohnes in seine alte Heimat
so laut, daß man es deutlich bis hinüber nach Southie hören konnte? Warum
sollte seine Schwester nichts davon wissen, verdammt noch mal?
    Fest stand, daß ich am nächsten
Morgen alle Flüge und Schiffspassagen zur grünen Insel checken mußte.
    «Hi, Puppe», sagte eine Stimme
dicht an meinem Ohr.
    Ich wandte mich um, gewappnet,
dem mutmaßlichen Sexbolzen seine Illusionen zu rauben, und sah mich Mooney
gegenüber. Das entsprach gar nicht seiner Art, denn zu seinem offenen,
ehrlichen Gesicht paßte solche Anzüglichkeit überhaupt nicht. Ich wußte gleich,
daß er nicht von mir erkannt werden wollte; Mooney weiß, daß ich für die Anrede
«Hi, Puppe» nicht viel übrig habe.
    «Hallo, du Blödmann», sagte ich
seidenweich. Wer uns von seinem Tisch aus beobachtete, mußte denken, ich hätte
etwas Nettes gesagt.
    «Was machst du denn hier?»
fragte er lächelnd, als hätte er etwas ganz anderes gesagt.
    «Ich trinke.»
    «Ich habe eine Wette abgeschlossen,
Carlotta. Ich kann schnell einen Hunderter verdienen, wenn du mit mir gehst.»
    «Und was kriegst du, wenn ich
dir Bier über die Eier schütte?»
    «Ich hab was für dich», sagte
er.
    Ich muß doch das Preisschild
auf meinem Arsch vergessen haben.
    «Wette verloren, Moon», sagte
ich. «Die Dame geht allein.» Ich leerte mein Glas und schüttelte ihm die Hand.
«Sag deinen Freunden, ich hätte eine Geschlechtskrankheit.»
    «Schätze, mein Ton gefällt dir
nicht.»
    «Du kapierst schnell. Genau das
mag ich an dir.»
    «Ich muß dir etwas sagen.»
    «Sag’s.»
    «Etwas Wichtiges. Etwas, das
einen Gefallen wert ist.»
    «Dann sag’s endlich.»
    «Jemand stellt Fragen über
dich.»
    «Ach, Scheiße», murmelte ich.
Jemand stellte Mooney Fragen. Jemand stellte Gloria Fragen. «Sind die Typen an
deinem Tisch Bullen?»
    «Nein. Und ich könnte wirklich
einen guten Grund gebrauchen, hier rauszukommen.»
    «Dann will ich den Hunderter.»
    «Zehn», konterteer.
    «Zehn, daß ich nicht lache»,
sagte ich. «Achtzig.»
    «Halbe, halbe! Und das ist
Raub.»
    «Kannst mich ja festnehmen»,
sagte ich. Ich stockte den Preis für zwei Bier an der Kasse um ein großzügiges
Trinkgeld auf und winkte dem Barmann zu. «Gehen wir.»
    Die alten Vogelscheuchen an der
Bar schnatterten wie eine Horde Affen, als wir gingen. Mooney legte mir locker
den Arm um die Schultern. Ich trat ihm auf den Fuß. Was bin ich doch für ein
Trampel.
     
     
     

5
     
    «Das macht fünfzig Scheinehen»,
sagte ich fröhlich, sobald wir aus der Tür heraus waren. Die Nachtluft roch
nach schalem Bier und Autoabgasen. Blasse Sterne

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