Carlottas Kerker
der Vergangenheit versunken waren, aber sicher waren wir nicht. Das würden erst seine nächsten Aussagen bestätigen. Falls es sie gab.
»Von allein, Phil?«, fragte die Staatsanwältin. »Haben Sie es von allein geschafft? Wollten Sie schon immer den Teufel sehen?«
»Ich?«, hauchte er.
»Ja, Sie.«
»Nein.«
»Aber Sie kennen ihn jetzt?«
Er schwieg sekundenlang, bevor er flüsterte: »Ich war in seiner Höhle.«
Wir horchten auf. Etwas ganz Neues hatte er uns da mitgeteilt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass der Teufel in einer Höhle wohnte, aber jeder hat ja ein anderes Bild von ihm. Gut möglich, dass Phil Diamond ihn eben so sah, als Dämonengestalt, die in einer Höhle hockte.
Die Staatsanwältin beugte sich leicht zu ihm vor. »Und in der Höhle oder dem Verlies lebte der Teufel?«
»Ja.«
»War er allein?«
»Das weiß ich nicht. Aber eigentlich schon...«
»Wie haben Sie ihn gefunden, Phil?« Purdy sprach im Plauderton. »Das kann doch nicht so einfach gewesen sein. Wenn ich jetzt losgehe, um den Teufel zu finden, hätte ich bestimmt keinen Erfolg damit. Das ist ja nicht so einfach, oder? Niemand kann sagen, wo der Teufel wohnt... oder...?«, dehnte sie, weil sie auf etwas Bestimmtes hinauswollte.
»Im Verlies!«, flüsterte Phil Diamond. »Unter der Erde, aber auch im roten Licht.«
»Nicht in der Hölle?«
Er fing an zu kichern. »Das ist die Hölle. Ja, so muss sie aussehen.«
Purdy kam auf das alte Klischee zu sprechen, das sich die Menschen von der Hölle machten. »Haben Sie dort kein Feuer gesehen? Keine Flammen, die alles verbrennen? Menschen, die in heißem Öl gekocht werden? Quälgeister mit Lanzen und Messer? Böse Hexen, die den Herrn der Finsternis auf Besen umtanzen? Haben Sie das alles gesehen, Phil?«
»Nein...«
»Haben Sie nicht die vor Angst verzerrten Gesichter der Menschen gesehen, die nie mehr aus der Hölle hervorkommen und für alle Ewigkeiten darin bleiben müssen?«
»Nein, nein, nein!«, schrie er sie an. »Das habe ich nicht gesehen. Das alles nicht, verdammt!«
»Was dann?«, rief Purdy laut. »Was haben Sie dann gesehen? Sagen Sie es uns! Erinnern Sie sich. Es ist wichtig...«
Phils Mund war halb geöffnet, und das gab seinem Gesicht einen leicht dümmlichen Ausdruck. Aber er hatte verstanden. »Der Teufel ist ein Monster! Ein großes Monster! Gewaltig, wie ein kleiner Berg!«
»Aha. Er hat keine Hörner?«
»Nein.«
»Was hat er dann?«
»Einen schrecklichen Kopf. Er ist der Alb. Er ist das, was oft in der tiefen Nacht auf deinem Bett sitzt und dich nicht schlafen lässt. Er ist das Traummonster. Er bringt all das Böse und letztendlich auch den Tod. Der Teufel lebt. Er ist da. Er ist...« Jetzt fing er an zu kichern. »Er ist so... anders .«
Er verstummte, und es war ihm anzusehen, dass er nichts mehr sagen wollte. Möglicherweise auch nichts mehr wusste, denn sein Blick sah wieder so vergessen aus.
»Und jetzt?«, flüsterte uns Purdy zu, die nicht mehr weiterwusste. »Was sagt ihr dazu?«
»Ich denke nicht, dass er sich die Geschichte aus den Fingern gesaugt hat«, erklärte Suko. »Da steckt mehr dahinter, findet ich.«
»Er könnte einen Film gesehen haben«, meinte Purdy Prentiss.
»Wenn das wirklich so gewesen ist, muss der Film ihn verdammt stark beeindruckt haben«, sagte ich.
»So etwas gibt es.« Sie winkte ab. »Ihr glaubt gar nicht, was ich alles in meiner Praxis erlebe. Da kann man wirklich nur mit dem Kopf schütteln. Das sind Abgründe, in die man hineintaucht. Da wird die Seele zu einem Spielball fremder Mächte. Deshalb gibt es ja Menschen, die auf Grund ihrer Taten nicht in ein normales Zuchthaus eingesperrt werden, sondern in die Psychiatrie.«
»Akzeptiert«, sagte Suko. »Aber hier liegt die Sache doch wohl anders, denn es gab schon zwei Männer, die ähnlich reagierten und sich umgebracht haben. Und die haben bestimmt nicht alle denselben Film gesehen. Mich würde interessieren, wie er zu diesem Monster gelangt ist. Es muss einen Weg geben, der ihn zu diesem Monster geführt hat. Versteht ihr, was ich meine?«
»Nein«, sagte ich.
»Etwas muss der Auslöser gewesen sein. Ich will einfach wissen, wie er dorthin gekommen ist und wie es letztendlich passierte.«
Jetzt verstand ich, und ich nickte Suko zu. Auch Purdy hatte begriffen, was Suko wissen wollte, und da sie bisher mit Phil Diamond gut zurechtgekommen war, sprach sie ihn auch wieder an.
»Hören Sie mich, Phil?«
»Ja, was ist denn?«
»Ich würde
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