Caroline
dass ich es nur gut meine, aber mehr kann ich nicht zu meiner Verteidigung vorbringen. Das Einzige, was ich ganz sicher weiß, ist, dass ich jeden Morgen froh bin, wenn ich die Augen aufschlage und du neben mir liegst.«
»Mir geht’s genauso«, sagte Nel. »Aber meine Dachwohnung in Amsterdam behalte ich.«
»Es gibt keine Dachwohnung mehr.«
»Stimmt, eben darum. Ich habe die neue Wohnung mit dem allermodernsten Schnickschnack ausgestattet. Es ist mein Arbeitsplatz, ich muss dort sein, ich habe Aufträge, ich arbeite mit Eddy an einem Programm, mit dem alles, was man aus dem Papierkorb entfernt, auch wirklich von der Festplatte gelöscht wird. Und wir basteln an dem Kopierschutz für Kreditkarten und …« Sie schwieg. Es klang, als versuche sie, sich in einem Labyrinth von Aufträgen, Herausforderungen und Karrierewünschen zu verlieren, während ich immer mehr das Gefühl hatte, dass sich ihre Instinkte ganz auf das Ticken ihrer inneren Zeitbombe konzentrierten.
Ich versuchte den Zünder abzuschrauben und sagte sorglos: »Wir regeln alles so, wie du es möchtest, wir haben es überhaupt nicht eilig.«
Nel spielte nicht mit. »Doch, wir haben es eilig.« Sie unterbrach sich, als das Gemurmel im Speisesaal plötzlich verstummte.
Ich schaute mich um und sah, wie Valerie Romein mit den eleganten Bewegungen eines erfahrenen Mannequins hinter ihrer Tochter her auf uns zu catwalkte. Glänzendes schwarzes Haar wallte wellig auf ihre Schultern und umspielte ein klassisch schönes Gesicht, das daran gewöhnt war, bewundert und fotografiert zu werden.
»Max, Nel …«, begann Caroline schüchtern, »meine Mutter möchte euch gerne kennen lernen …«
Ich schob meinen Stuhl mit lautem Schaben zurück und sah zu, wie das berühmte Mannequin Nel die Hand reichte und mit wohlklingender Altstimme sagte: »Valerie Romein. Meine Tochter hat mir erzählt, dass sie ihren Aufenthalt vor allem wegen Ihnen und, äh, Ihrem Mann genossen hat.«
»So, so«, sagte ich, bevor Nel die Ehemann-Frage richtigstellen konnte. Valerie gab auch mir die Hand und ich nannte ihr meinen Namen.
»Ich musste leider für ein paar Tage weg«, fuhr Valerie fort und machte ein bedauerndes Gesicht, als hätte sie lieber wie eine richtige Mutter mit ihrer Tochter schweißtreibende Fahrradtouren unternommen, als Cocktails trinkend auf dem Deck einer Luxusjacht zu den Casinos von Monte Carlo segeln zu müssen. »Und morgen machen wir uns schon wieder auf den Weg. Meine Freunde bringen uns nach Marseille.«
Caroline stand schweigend daneben, einen Kopf kleiner und zehn Köpfe hässlicher als ihre Mutter. Nel lächelte ihr zu: »Dann kommst du ja doch noch auf diese Jacht.«
Caroline verzog das Gesicht. Valerie bemerkte es nicht. »Karel hat mir erzählt, dass Sie morgen ebenfalls abreisen«, sagte sie. »Wenn Sie Lust haben, können Sie gerne mit uns mitfahren bis nach Marseille.«
Karel, dachte ich. Na ja.
»Das wäre doch nett«, bemerkte Karel mit einem ironischen Seitenblick auf Nel. »Dann kommst du auch noch auf diese Jacht.«
»Leider sind wir auf die Fähre angewiesen«, sagte ich. »Unser Auto steht drüben auf dem Festland.«
»Bleiben die anderen heute Nacht an Bord?«, fragte Caroline ihre Mutter.
»Ja, aber ich habe Bescheid gesagt, dass ich heute Abend lieber mit dir zusammen sein will.«
Wieder vermied es Valerie, ihre Tochter anzuschauen, während sie ihr Bestes tat, sich ein freundliches Lächeln abzuringen.
Wir standen alle zusammen neben unserem Tisch und ich hatte Gelegenheit, sie aus der Nähe zu betrachten, während sie uns zum Kaffee einlud. Im romantischen Schein der Kerzen und Wandlämpchen besaß ihre Haut einen makellosen, rahmweißen Teint. Kein Fältchen war zu sehen, weder um die Mundpartie noch am Hals noch im entzückenden Dekolletée ihres Ensembles, das Yves Saint Laurent ihr wahrscheinlich persönlich auf den Leib geschneidert hatte. Bei Tageslicht war sie mit Sicherheit ebenso vollkommen.
»Danke, wir haben schon Kaffee getrunken«, sagte ich, »und da Sie mit Ihrer Tochter zusammen sein möchten, würden wir ja doch bloß stören.«
Das Mannequin sah nicht gerade entzückt aus und Caroline blickte mit einem Hauch von Enttäuschung Nel an. »Sehen wir uns morgen noch?«
»Unsere Fähre geht stündlich«, beruhigte sie Nel. »Wir bringen dich zum Hafen, einverstanden?«
Mutter und Tochter kehrten an ihren Tisch zurück. Ich unterschrieb den Beleg und ging mit Nel ins Foyer. An der Bar blieb Nel stehen und
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