Carre, John le
gut rasiert, gepflegt.
Er trug nur steife Kragen mit runden Ecken und einfarbige Krawatten. Seine Augen
waren dunkel und flink; beim Sprechen lächelte er, aber sein Lächeln hatte
nichts Fröhliches. Seine Sakkos waren an den Seiten geschlitzt, und sein
Taschentuch steckte im Ärmel. An Freitagen trug er Wildlederschuhe; man nahm
an, daß er übers Wochenende aufs Land hinausfuhr. Niemand schien zu wissen, wo
er wohnte. Der Raum lag im Halbdunkel.
»Wir
können keine weitere Überfliegung mehr durchführen. Das war die letzte; sie
haben mich im Ministerium darauf aufmerksam gemacht. Wir werden einen Mann
hineinschicken müssen. Ich habe die alten Karteien durchgesehen, John.
Darunter ist ein gewisser Leiser, ein Pole. Er wäre der richtige.«
»Was ist
Taylor zugestoßen? Wer hat ihn getötet?« Avery ging zur Tür und schaltete die
Deckenbeleuchtung ein. Sie sahen einander verlegen an. »Pardon. Ich bin noch
nicht ganz wach«, sagte Avery. Dann fanden sie den Faden wieder und kamen zum
Thema zurück.
Leclerc
sagte geradeheraus: »Sie haben lange gebraucht, John. Hat es zu Hause
irgendwas gegeben?« Autorität war ihm nicht angeboren. »Ich konnte kein Taxi
bekommen. Ich habe den Standplatz in Clapham angerufen, aber dort hat niemand
abgehoben. Auch an der Albert Bridge war nichts.« Er haßte es, Leclerc zu
enttäuschen. »Sie können es verrechnen«, sagte Leclerc reserviert. »Auch die
Telefongespräche. Alles in Ordnung mit Ihrer Frau?«
»Ich sagte
doch, daß niemand geantwortet hat. - Es geht ihr gut.«
»Hat sie
nichts dagegen gehabt?«
»Natürlich
nicht.«
Sie
sprachen nie über Sarah. Es war, als stünden sie beide in der gleichen Beziehung
zu Averys Frau, wie Kinder, die sich ein Spielzeug zu teilen vermögen, für das
sie nichts mehr übrig haben. »Sie hat ja Ihren Sohn, der ihr Gesellschaft
leistet«, sagte Leclerc. »Ja, sicher.«
Leclerc
war stolz darauf zu wissen, daß es ein Sohn und nicht eine Tochter war.
Er nahm
eine Zigarette aus der Silberdose auf seinem Schreibtisch. Er hatte Avery
einmal erzählt, daß sie ein Erinnerungsgeschenk aus dem Kriege war. Der Mann,
der sie ihm geschenkt hatte, war tot, und der Anlaß für das Geschenk vorüber.
Der Deckel trug keine Inschrift. Er wisse heute noch nicht genau, auf welcher
Seite der Mann eigentlich gestanden habe - eine Bemerkung, über die Avery
bereitwillig lachte, um ihn glücklich zu machen.
Leclerc nahm die Akte von seinem
Schreibtisch und hielt sie direkt unter das Licht, als gäbe es etwas, das er
sehr eingehend betrachten müsse. »John!«
Avery ging
zu ihm hin; er bemühte sich, Leclercs Schulter nicht zu berühren.
»Was sagt
Ihnen ein Gesicht wie dieses?«
»Ich weiß
nicht. Auf Grund von Fotos kann man nur schwer etwas sagen.«
Es war der
runde, ausdruckslose Kopf eines blonden Jungen mit langem zurückgekämmtem Haar.
»Das ist Leiser. Aussehen tut er ordentlich, nicht wahr? Das
Foto ist natürlich zwanzig Jahre alt«, sagte Leclerc. »Wir haben ihn sehr hoch
eingestuft.« Widerstrebend legte er es nieder, ließ sein Feuerzeug schnippen
und hielt die Flamme an seine Zigarette. »Auf jeden Fall scheinen wir da auf
etwas gestoßen zu sein«, sagte er munter. »Ich habe keine Ahnung, was Taylor
eigentlich passiert ist. Wir haben nur den Routinebericht vom Konsulat
bekommen, das ist alles. Es sieht aus wie ein Autounfall. Ein paar
Einzelheiten, die wenig besagen. Eben der Wisch, wie man ihn normalerweise den
Angehörigen schickt. Das Auswärtige Amt schickte uns das Fernschreiben so, wie
es ihnen durchgegeben wurde. Man wußte, daß es einer unserer Pässe war.« Er
schob ein Blatt dünnen Papiers über den Schreibtisch. Er liebte es sehr,
hinter dem Schreibtisch zu sitzen und darauf zu warten, daß seine
Gesprächspartner ein Schriftstück zu Ende lasen, das er ihnen zugeschoben
hatte. Avery warf einen Blick darauf.
»Malherbe?
War das Taylors Deckname?«
»Ja. Ich
muß aus dem Autopark des Ministeriums einige Wagen bekommen«, sagte Leclerc.
»Direkt lächerlich, keine eigenen Autos zu haben. Das Rondell hat eine ganze
Flotte.« Und dann fügte er hinzu: »Vielleicht wird mir jetzt das Ministerium
glauben. Vielleicht nehmen sie doch endlich zur Kenntnis, daß wir noch immer
eine im Einsatz stehende Organisation sind.«
»Hat
Taylor den Film an sich genommen?« fragte Avery. »Wissen wir, ob er ihn
bekommen hat?«
»Ich habe
kein Inventar seines Besitzes. Im Augenblick sind alle seine Effekten von der
finnischen Polizei
Weitere Kostenlose Bücher