Carre, John le
des
Nachrichtendienstes. »Der erste Mann«, so hatte Jebedee sich ausgedrückt, »der
in Wimbledon Machttennis spielt.« Die NATO und alle verzweifelten Maßnahmen,
die von den Amerikanern ins Auge gefaßt wurden, änderten gänzlich die Art von
Smileys Dienst. Die Tage aus der Zeit von Steed-Asprey, da man seine Aufträge
ebensogut in dessen Wohnung in Magdalen bei einem Glas Portwein erhalten
konnte, waren für immer dahin. Die amateurmäßige Inspiration einer Handvoll
hochqualifizierter, schlecht bezahlter Männer war der betriebsamen
Leistungsfähigkeit, dem Bürokratismus und den Intrigen einer großen
Ministerialsektion gewichen, die Maston in seinen teuren Anzügen, seinem Adel,
seinem distinguierten grauen Haar und seinen silbergrauen Krawatten auf Gnade
und Ungnade ausgeliefert war. Maston, der sich sogar an den Geburtstag seiner
Sekretärin erinnerte, dessen feine Manieren bei den Damen der Registratur
sprichwörtlich waren, der, als wäre das selbstverständlich, seinen
Machtbereich vergrößerte und wie mit einer zögernden Entschuldigung zu immer
höheren Positionen aufrückte, Maston, der in Henley smarte Parties in seiner
Villa gab und sich mit den Erfolgen seiner Untergebenen mästete.
Während
des Krieges hatte man ihn, den Berufsbeamten, aus irgendeinem orthodoxen
Ministerium hereingebracht, einen Mann, der mit Papier hantieren und die
Brillanz seines Stabes mit der beschwerlichen bürokratischen Maschinerie in
Einklang bringen sollte. Es war für die hohen Tiere eine Beruhigung, mit
jemandem zu tun zu haben, den sie kannten, einem Mann, der jede beliebige
Farbe in Grau verwandeln konnte, der seine Herren und Meister kannte und sich
unter ihnen zu bewegen verstand. Und er verstand es nur zu gut! Ihnen gefiel
seine Bescheidenheit, wenn er sich dafür entschuldigte, mit wem er umging, die
Heuchelei, mit der er die Schrullen seiner Untergebenen verteidigte, seine Wendigkeit
bei der Formulierung neuer Aufgaben. Er unterließ es auch nicht, sich der
Vorteile der Methoden eines Mannes mit Radmantel und Dolch malgre lui zu bedienen, indem er das Mäntelchen für seine Vorgesetzten trug, den
Dolch aber für seine Untergebenen reserviert hatte. Seine Stellung war
offensichtlich eine merkwürdige. Er war nicht die offizielle Spitze des
Dienstes, aber andererseits der fachmännische Berater des Ministers in Fragen
des Nachrichtendienstes. Steed-Asprey hatte ihn für alle Zeiten als
Obereunuchen klassifiziert.
Das war
alles für Smiley eine ganz neue Welt. Die taghell erleuchteten Korridore, die
smarten jungen Männer. Er kam sich hausbacken und altmodisch vor und hatte
Heimweh nach dem vernachlässigten alten Haus in Knightsbridge, wo alles
begonnen hatte. Seine Erscheinung schien dieses Unbehagen in einer Art
physischer Rückbildung widerzuspiegeln, so daß er noch mehr gekrümmt und
froschähnlich aussah als je. Er zwinkerte mehr als früher und erwarb sich den
Beinamen »Maulwurf«. Aber seine junge Sekretärin betete ihn an und sprach von
ihm nur als »Mein lieber Teddybär«.
Smiley war
nun schon zu alt, um ins Ausland zu gehen, das hatte ihm Maston klargemacht:
»Auf jeden Fall, mein lieber Freund, sind Sie ziemlich fertig nach der Hetzjagd
während des Krieges. Bleiben Sie lieber zu Hause, alter Freund, und schüren Sie
die heimatlichen Feuer.«
Alles das
erklärt ein wenig, warum George Smiley am Mittwoch, dem 4. Januar, um zwei Uhr
nachts im Fond eines Londoner Taxis saß und auf dem Wege nach Cambridge Circus
war.
Keine Ruh' bei Tag und Nacht
In dem
Taxi fühlte er sich sicher. Sicher und warm. Und zwar war die Wärme
Konterbande, die er aus dem Bett mitgeschmuggelt und gegen die Kälte der nassen
Januarnacht aufgespeichert hatte. Sicher fühlte er sich deshalb, weil die
Situation unrealistisch war. Es war sein Geist, der durch die Straßen Londons
wanderte und von ihren unglücklichen Vergnügungssuchern Notiz nahm, die unter
den Regenschirmen der Türsteher zu ihren Taxis trippelten, und von den
galanten jungen Damen, die wie zu Geschenkzwecken in Polyvinyl verpackt waren.
Es war sein Geist, entschied er, der aus dem Brunnen des Schlafes geklettert
war und das neben dem Bett rasselnde Telefon zum Schweigen gebracht hatte . .
. Oxford Street. . . Warum war London die einzige Hauptstadt der Welt, die
nachts ihre Persönlichkeit verlor? Während Smiley seinen Mantel enger um sich
zog, konnte er sich keines Ortes von Los Angeles bis Bern entsinnen, der so
bereitwillig den Kampf um seine
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