Carre, John le
dreiviertel elf allein zurückkam. Sie hat dann
schließlich die Polizei angerufen.«
»Er hat
irgendwo in Surrey gewohnt?«
»Ja, in
Walliston, an der Nebenstraße nach Kingston. Nur ein kleines Stück außerhalb
des eigentlichen Stadtgebietes. Als die Polizei eintraf, fand sie neben der
Leiche auf dem Boden einen Brief an den Außenminister. Der Inspektor rief den
Polizeidirektor an, und der wieder den Diensthabenden im Innenministerium, der
sich mit dem Außenministerium in Verbindung setzte, und schließlich bekam die
Polizei die Bewilligung, den Brief zu öffnen. Und dann ist der Tanz
losgegangen.«
»Was
weiter?«
»Dann hat
uns der Personalchef angerufen. Er wollte die Privatnummer von Maston. Er hat
gesagt, das ist das letzte Mal, daß der Sicherheitsdienst an seinem Personal
herumfingert, daß Fennan ein begabter und loyaler Beamter gewesen sei, qua,
qua, qua . . .«
»Das war
er auch, ganz bestimmt!«
»Dann
sagte er noch, diese ganze Affäre beweise schlagend, daß niemand den
Sicherheitsdienst am Zügel habe - Gestapo-Methoden, die nicht einmal durch eine
echte Gefahr entschuldigt werden könnten . . . qua, qua, qua . . . Ich habe
ihm Mastons Nummer gegeben und wählte sie auf dem anderen Apparat, während er
weitertobte. Durch diesen Geniestreich wurde ich das Außenministerium auf der
einen Leitung los, während ich auf der anderen Verbindung mit Maston bekam und
ihm die Neuigkeit brühwarm durchgab. Das war um null Uhr zwanzig. Maston kam
hier um ein Uhr an, sozusagen hochschwanger - morgen früh wird er dem Minister
Bericht erstatten müssen.«
Sie
schwiegen einen Augenblick. Guillam goß Kaffee in die Tassen und gab aus einem
elektrischen Kocher heißes Wasser dazu.
»Wie war
er denn?« fragte er.
»Wer? Ach
so, Fennan. Ja, bis gestern abend hätte ich Ihnen das sagen können. Aber jetzt
ist er mir ein Rätsel. Dem Aussehen nach offenbar ein Jude. Aus einer
orthodoxen Familie, aber das hat er alles in Oxford über Bord geworfen und ist
Marxist geworden. Weitblickend, kultiviert... ein vernünftiger Mensch. Spricht
sanft, ein guter Zuhörer. Bei alldem gebildet. Sehr vielseitig, verstehen Sie.
Wer auch immer es war, der ihn denunziert hat, er hatte recht. Er war nämlich
tatsächlich bei der Partei.«
»Wie alt
ist er denn?«
»Vierundvierzig.
Sieht aber älter aus.« Während seine Augen durch das Zimmer wanderten, sprach
Smiley weiter. ». . . ein sensibles Gesicht, eine Mähne von dunklem glattem
Haar, wie es die Studenten tragen, das Profil eines Zwanzigjährigen; feine, trockene
Haut, ziemlich bleich, auch ziemlich gefurcht, überall Falten, die das Gesicht
in Quadrate schneiden. Sehr schlanke Finger . . . ein kompakter Bursche. Eine
abgeschlossene, verschlossene Einheit. Vergnügte sich allein und litt auch
allein, vermute ich.«
Maston
trat ein, und sie erhoben sich.
»Aha,
Smiley. Kommen Sie rein.« Er öffnete die Tür und streckte seinen linken Arm
aus, um Smiley zuerst eintreten zu lassen.
Mastons
Zimmer enthielt nicht ein einziges Möbelstück, das dem Staat gehörte. Er hatte
einmal eine Sammlung von Aquarellen aus dem neunzehnten Jahrhundert gekauft,
und von dieser hingen einige an den Wänden. Der Rest war von der Stange,
entschied Smiley. Übrigens war auch Maston selbst von der Stange. Sein Anzug
war eine Spur zu grell, um noch als dezent zu gelten, und die Schnur seines
Monokels war wie ein Strich auf seinem unvermeidlichen cremefarbenen Hemd. Er
trug eine hellgraue Wollkrawatte, so daß ihn ein Deutscher sicher »flott«
genannt hätte, dachte Smiley. Schick, das ist das rechte Wort - wie sich eine
Bardame einen echten Gentleman erträumt.
»Ich war
bei Sparrow. Es ist ein klarer Fall von Selbstmord. Die Leiche ist
abtransportiert worden, und außer den normalen Formalitäten wird der Polizeidirektor
keine weiteren Schritte einleiten. Die Leichenschaukommission wird in ein oder
zwei Tagen zusammentreten. Man ist übereingekommen - das kann ich nicht
deutlich genug unterstreichen, Smiley -, daß über unser seinerzeitiges
Interesse an Fennan nicht ein Wort an die Presse kommen darf.«
»Ich verstehe.«
(Sie sind gefährlich, Maston. Schwach sind Sie, und Angst haben Sie obendrein.
Jeder andere Hals lieber als Ihrer . . . ich weiß schon. Wie Sie mich da
ansehen, nehmen Sie mir direkt Maß für die Schlinge.)
»Glauben
Sie bitte nicht, daß ich Sie kritisieren will, Smiley. Schließlich, wenn der
Leiter des Sicherheitsdienstes die Einvernahme autorisiert hat, so
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