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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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durch den Kopf. Er drehte sich um und sah den Lord beziehungsvoll an.
    Caspar trat auf Stanhope zu und bat ihnmit bewegter Stimme, noch einmal auf sein Zimmer zu kommen. Der Graf antwortete kalt, er habe wenig Zeit, Caspar möge sein Anliegen hier vorbringen. Caspar schüttelte den Kopf; der Lord dachte, Caspar habe sich eines Bessern besonnen, er stellte sich, als ob es ihn Überwindung koste, dem Wunsch zu willfahren, dann ging er mit kleinen, wie gezählten Schritten die Stiege hinan. Quandt folgte unaufgefordert und blieb im Zimmer oben als stumme Person neben der Tür stehen.
    Caspar sagte, er wolle dem Lord das Tagebuch gerne zeigen, aber dieser möge ihm versprechen, nichts darin zu lesen.
    Der Lord verschränkte die Arme über der Brust. Dies wurde ihm denn doch zu bunt. Aber er antwortete mit der Ruhe einer vollendeten Selbstbeherrschung: »Du kannst mir wohl glauben, daß ich ohne deine Einwilligung nicht in deine Privatangelegenheiten dringen werde.«
    Caspar öffnete die Schublade des Kommodekästchens und hob den Zipfel eines Seidentüchleins, unter welchem das blaue Heft lag. Der Graf näherte sich und blickte in wortloser Befremdung bald auf das Heft, bald auf Caspar. »Was für eine kindische Zeremonie!« stieß er finster heraus. »Ich hatte nicht die geringste Begierde geäußert, deinen papierenen Schatz zu sehen. Soviel ich weiß, wolltest du mir daraus vorlesen; mit Flunkereien bitte ich mich zu verschonen.«
    Auch Quandt war nun herangekommen, und mit zweifelnden Blicken maß er das mysteriöse Heft. Caspar schaute währenddem, auch indes der Lord das Zimmer schweigend verließ, mit einem chinesisch-schiefen, schief-besinnenden Blickvor sich hin, einem Blick der Versunkenheit und Jenseitigkeit, wie ihn manche Köpfe auf sehr alten Bildern haben.
    »Wenn ich meine unmaßgebliche Meinung äußern darf,« sagte Quandt, der den Grafen zum Tor begleitete, »so muß ich gestehen, ich glaube nicht an dieses Tagebuch. Ich glaube nicht, daß ein Charakter wie der des Hauser von sich selbst aus den Antrieb findet, ein Tagebuch zu führen. Ich kann mir nicht helfen, Mylord, aber ich glaube nicht daran.«
    »Ja, denken Sie denn, daß er uns da bloß leeres Papier gezeigt hat?« versetzte Stanhope schroff.
    »Das nicht, aber ...«
    »Was also?«
    »Je nun, man muß der Sache nachgehen, man muß sich damit beschäftigen, man muß sehen, was dahinter steckt.«
    Stanhope zuckte die Achseln und ging. Er hatte gehofft, aus den Aufzeichnungen des Jünglings mancherlei über sich selbst zu hören; dies lockte; er wußte, daß er dort auf einem hohen Postament stand und daß er vergöttert worden war; es ist schön, vergöttert zu werden, wie wenig Ähnlichkeit man auch mit einem Gott haben mag, und wenngleich das Götterbild vom Sockel gestürzt war, um seine Trümmer mußte noch eine reizende Romantik blühen. Dies lockte. An das Verräterische des Büchleins dachte er nicht, wollte er nicht denken, damit mochten sich die Schergen abfinden.
    Trotzdem begab er sich am nächsten Mittag ins Lehrerhaus, trat in Caspars Zimmer und forderte kurz und streng von dem Jüngling die Ablieferung der Briefe, die er ihm während ihrerTrennung nach Nürnberg geschrieben. Caspar gehorchte ohne zu fragen. Die Briefe, es waren nur drei, darunter der gefährliche, geschwätzige, den der Graf zu fürchten hatte, lagen in einer besonderen Mappe in einer Hülle von Goldpapier. Stanhope zählte sie nach, steckte sie in die Brusttasche und sagte dann etwas milderen Tons: »Du holst mich heute abend um acht Uhr vom Hotel ab. Wir sind aufs Schlößchen zu Frau von Imhoff geladen. Zieh dich gut an.«
    Caspar nickte.
    Stanhope schritt zur Tür. Die Klinke in der Hand, drehte er sich noch einmal um: »Morgen reise ich.« In der Krümmung seines Mundes lag Überdruß und Grauen. Ihm graute plötzlich vor dieser Stadt und vor ihren Menschen, ihm graute vor etwas, das er wie eine höllische Unholdfratze über sich in der Luft hängen sah und dem er durch die Geschwindigkeit seiner Pferde zu entrinnen hoffte. Den Präsidenten zu erwarten hatte er aufgegeben, denn Feuerbach hatte seinem Stellvertreter geschrieben, er käme erst nach Neujahr.
    »Morgen schon?« flüsterte Caspar betrübt; und nach einer Pause fügte er scheu hinzu: »Was abgemacht ist, das gilt aber?«
    »Was abgemacht ist, das bleibt bestehen.«
    Die Einladung der Imhoffs war zugleich eine Abschiedsfeier für den Grafen. Es waren gebeten: der Regierungspräsident Mieg, der Hofrat

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