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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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machte ein paar Schritte hin und her und war freudig erschrocken bei der Wahrnehmung, daß die Augen des Bildes ihn mit dunkler Glut verfolgten.
    Also beschäftigt fand ihn der Präsident und blieb überrascht neben der Tür stehen. Mochte es Zufall genannt werden oder war es eine der unergründlichen Verkettungen, in denen dies nicht gewöhnliche Schicksal sich offenbarte, Feuerbach sah in dem zauberartigen Gegenüberstehen von Bild und Jüngling etwas wie ein Ordal, eine Beglaubigung von oben. War doch Caspars Mutter (seine Mutter, ja, sofern der ganze Bau der furchtbaren Annahmen und halben Gewißheiten im Licht der Wirklichkeit nur irgend bestehen konnte) durch verwandtschaftliche Bande an jenen Heros geknüpft.
    »Wissen Sie denn auch, wer das ist, Caspar?« fragte Feuerbach mit lauter Stimme.
    Caspar schüttelte den Kopf.
    »So will ich’s Ihnen sagen. Das ist ein Mann, der die Menschheit davon überzeugt hat, daß ein großer Wille alles vermag. Haben Sie denn noch nie was vom Kaiser Napoleon gehört? Ich kannte ihn, Caspar, ich habe ihn gesehen, ich habe mit ihm gesprochen, ich war Mittelsmann zwischen ihm und unserm König Max. Es war eine große Zeit und nicht mehr viel ist von ihr übrig.«
    Mit wehmütig-sinnendem Blick wandte sich Feuerbach ab. Er spürte die Last der Jahre; lange genug hatte er sich gegen ihre Pranken gewehrt; fast mit Angst streifte sein Auge den immer noch schweigend dastehenden Jüngling, als erwarte er von ihm das Richterwort, das seine nicht mehr zu verbergende Ohnmacht der Welt preisgeben mußte. Das zuletzt Erfahrene, dort bei den Mächtigen Erlittene überflutete sein Herz mit Scham; eine Flamme des Ingrimms unddes Hasses gegen alles, was Menschen hieß, loderte plötzlich in ihm auf, zähneknirschend rannte er ein halbdutzendmal zwischen den Fenstern und der Tür hin und her, und erst der Anblick des vor Furcht erbleichten Caspar gab ihm die Besinnung einigermaßen zurück, und er stellte die mürrische Frage, ob Caspar bei Quandt genug zu essen bekomme.
    »Darüber ist nicht zu klagen,« antwortete Caspar.
    Den zweideutigen Ton, in welchem er dies vorbrachte, schien Feuerbach zu überhören. »Und was ist es mit dem Lord?« fragte er weiter mit einem starr-drohenden Blick, »haben Sie schon Nachricht von ihm? Haben Sie selbst ihm schon geschrieben?«
    »Einmal jede Woche schreib’ ich ihm,« sagte Caspar.
    »Wo befindet er sich?«
    »Er will jetzt nach Spanien.«
    »Nach Spanien; soso; nach Spanien. Das ist sehr weit, mein Bester.«
    »Ja, das soll weit sein.«
    Diese einsilbige Unterhaltung wurde durch einen Polizeibeamten unterbrochen, der eine schriftliche Meldung wegen des nächtlichen Einbruchs brachte. Caspar verabschiedete sich.
    »Wo bleiben Sie denn so lang?« empfing ihn Quandt ärgerlich.
    »Ich war beim Präsidenten, das wissen Sie doch,« versetzte Caspar.
    »Schön; aber es verrät wenig Lebensart, daß Sie einen Besuch nicht zu kürzen verstehen, wenn man zu Haus mit dem Abendessen auf Sie wartet.«
    Das Essen war nämlich eine wichtige Angelegenheit bei Quandts. Der Lehrer setzte sich immer mit einer gewissen Rührung zu Tisch, und sein prüfender Blick schien alle Teilnehmer der Mahlzeit auf den Grad ihrer Andacht zu examinieren. Wenn Frau Quandt verkündigte, was man des Guten zu erwarten habe, begleitete der Lehrer ihre Aufzählungen entweder mit einem Kopfnicken oder bedenklichem Runzeln der Stirne. Schmeckte ihm ein Gericht, so wuchs seine gute Laune, fand es nicht seinen Beifall, so aß er jeden Bissen mit einem Ausdruck weltüberlegener Ironie. Für manches hatte er eine besondere Vorliebe, wie zum Beispiel für saure Gurken oder angewärmten Kartoffelsalat, und er unterließ es dann selten, während er sich delektierte, die Einfachheit seiner Bedürfnisse hervorzuheben. Die Lehrerin verstand trefflich zu kochen, und wenn ihr eine Leibspeise des Mannes gelungen war, blieb sie für sein Lob nicht unempfänglich, obschon es bisweilen in eine zu gelehrte Form gekleidet war; so pflegte Quandt im Scherz zu sagen, wenn er sie nicht genommen hätte, wäre sicherlich der selige Trimalchio wieder auferstanden, um sie zu heiraten. Nach dem Abendessen kam die gemütliche Stunde mit Pantoffeln, Schlafrock, Lehnstuhl und Zeitungslesen. Ins Wirtshaus ging Quandt fast nie, einmal wegen der Kosten und dann, weil er keine Ansprache fand. Er zog die bequeme Ofenecke vor.
    Aber seit Caspar im Haus weilte, war diese idyllische Abendstimmung ohne rechten Reiz. Quandt war

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