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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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gequält und wußte manchmal kaum die Ursache. Stellen wir uns einen Hund vor, einen klugen, nervigen, wachsamen Hund. Stellenwir uns vor, daß dieser Hund bei seinem Schnuppern in dem anvertrauten Revier irgendwo einen Brocken Gift erwischt hat und daß er nun, das verderbliche Feuer in seinem Leib, unbewußt das Dunkel sucht, alle feuchten Winkel lechzend durchrast, den Schatten verfolgt, die Fliege beknurrt, alles um sich und über sich nur auf das eine tolle Drängen bezieht und die ganze Welt für vergiftet hält, während es bloß seine armen Gedärme sind, so hätten wir ein anschauliches Bild von dem Zustand des bedauernswerten Mannes. Sein Dämon schmiedete ihn fest an den Jüngling; es wurde ihm vor allen Dingen wichtig, »dahinterzukommen«; er hätte ein paar Jahre seines Lebens hergegeben, wenn er dadurch geschwind zu der Kenntnis gelangt wäre, was »dahintersteckte«.
    Um acht Uhr kam der Polizeileutnant zu Besuch; er war schlecht gelaunt, denn er hatte letzte Nacht im Kasino fünfundsechzig Gulden beim Pharao verloren und war das Geld noch schuldig. Gegen Caspar zeigte er sich auffallend freundlich; er fragte ihn aus, was er mit dem Präsidenten gesprochen, nahm aber den getreuen Bericht des Jünglings, als zu belanglos, mit Mißtrauen auf.
    »Ja, unser guter Freund ist recht zurückhaltend,« beklagte sich Quandt; »ich wußte gar nichts von dem Einbruch beim Präsidenten, und mit Müh und Not, daß er überhaupt davon erzählt hat. Wissen Sie Näheres, Herr Polizeileutnant? Hat man schon Spuren?«
    Hickel erwiderte gleichmütig, man habe bei Altenmuhr einen verdächtigen Landstreicher aufgegriffen.
    »Was doch alles vorgeht!« rief Quandt; »welche Frechheit gehört dazu, das Oberhauptder Behörde zum Opfer eines solchen Anschlags zu machen!« Insgeheim aber räsonierte er: recht so; das wird den Unantastbarkeitswahn der Exzellenz ein bißchen erschüttern; recht so; auch von den Spitzbuben können die großen Herren mitunter eine nützliche Lehre empfangen.
    »Es sollte mich sehr wundern,« sagte Hickel mit vornehm geschlossenen Lippen – eine Finesse, die er dem Lord Stanhope abgeguckt –, »wenn diese Geschichte nicht wieder irgendwie mit unserm Hauser zusammenhinge.«
    Quandt machte große Augen, dann schaute er schräg auf Caspar, dessen erschrockener Blick dem seinen entglitt.
    »Ich habe Gründe zu einer solchen Vermutung,« fuhr Hickel fort und starrte die blankgescheuerten Nägel seiner roten Bauernhände an; diese Hände flößten Caspar stets einen namenlosen Widerwillen ein; »ich habe Gründe und werde vielleicht seinerzeit damit herausrücken. Der Staatsrat selber ist gescheit genug, um zu wissen, was die Glocke geschlagen hat. Aber er will’s nicht Wort haben, es ist ihm nicht geheuer dabei zumut.«
    »Nicht geheuer zumut? Was Sie sagen!« versetzte Quandt, und ein angenehmes Gruseln lief ihm über den Rücken. Auch die Lehrerin hörte mit dem Strümpfestopfen auf und sah neugierig von einem zum andern.
    »Ja ja,« fuhr Hickel fort und lächelte den Lehrer mit seinen gelbblinkenden Zähnen an, »sie haben ihm dort unten in München gehörig eingeheizt, und er trägt den Kopf bei weitem nicht mehr so zuversichtlich. Meinen Sie nicht auch, Hauser?« fragte er und sah bald Quandt, bald dessen Frau strahlend an.
    »Ich meine, es ist nicht in der Ordnung, daß Sie so vom Herrn Staatsrat sprechen,« antwortete Caspar kühn.
    Hickel verfärbte sich und biß sich auf die Lippen. »Sieh mal an, sieh mal an,« sagte er düster. »Haben Sie das gehört, Herr Lehrer? Schon unkt die Kröte, es wird Frühjahr.«
    »Eine höchst unpassende Bemerkung, Hauser,« ließ sich Quandt zürnend vernehmen. »Sie sind dem Herrn Polizeileutnant Ehrfurcht und Bescheidenheit schuldig so wie mir. Gegen den Baron Imhoff oder den Generalkommissär würden Sie sich so etwas nicht unterstehen, des bin ich sicher. Und ein doppelt Gesicht, ein falsch Gesicht, heißt es. Ich werde das dem Grafen schreiben.«
    »Echauffieren Sie sich nicht, Herr Lehrer,« unterbrach ihn Hickel, »es lohnt sich nicht, man muß es seinem Unverstand zugut halten. Im übrigen hab’ ich gestern einen Brief vom Grafen bekommen;« er griff in die Rockbrust und zog ein zusammengefaltetes Papier heraus. »Sie möchten wohl gerne wissen, was er schreibt, Hauser? Na, gar so schmeichelhaft ist es eben nicht für Sie. Der gute Graf macht sich Sorgen wie immer und empfiehlt uns rücksichtslose Strenge, falls Sie nicht parieren.«
    Caspar machte

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