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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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sich dem Präsidenten in jedem Fall zu fügen, da Widerstand Verdacht erweckt hätte;das Äußerste zu versuchen, aber sich zu fügen und neue Minen zu graben, wenn die alten wirkungslos geworden. Von einem gefährlichen Dokument war die Rede, das einstweilen beiseitegebracht oder unschädlich gemacht werden müsse, von dessen Inhalt aber jedenfalls Abschrift zu nehmen sei.
    Das überreichte Schreiben sollte im Beisein des Jägers zerrissen und verbrannt werden. Dies geschah. Vor allem brachte der Bursche Geld, herrliches bares Geld. Stanhope atmete auf.
    Am nächsten Abend lud er einige der vornehmsten Familien der Stadt zu einem geselligen Beisammensein in die Räume des Kasinos. Man raunte sich zu, daß er die Speisen nach besonderen Rezepten habe bereiten lassen und die Musikpiecen mit dem Kapellmeister selbst durchprobiert habe. Vor Beginn des Tanzes erhielt jede Dame ein ebenso sinniges wie kostbares Angebinde: ein kleines Schildchen von Gold, auf welchem in emaillierter Schrift die Devise stand:
»Dieu et le cœur.«
Danach nahm der Lord sein Glas und forderte die Anwesenden auf, mit ihm das Wohl eines Menschen auszubringen, der ihm so teuer sei, daß er den Namen vor so vielen Ohren gar nicht auszusprechen wage, wüßten doch alle, wen er meine: jenes wunderbare Geschöpf, vom Schicksal wie auf eine Warte der Zeit hingestellt:
Dieu et le cœur,
dies gelte ihm, dem Mutterlosen, dessen die Mütter gedenken möchten, welche Kinder geboren, und die Jungfrauen, die sich der Liebe weihten.
    Man war gerührt; man war außerordentlich gerührt. Ein paar weiße Taschentücher flatterten in sanften Händen, und eine ergriffene Baßstimmemurrte: »Seltener Mann.« Der seltene Mann, als ob er seine eigne Bewegung nicht anders meistern könne, begab sich auf den anstoßenden Balkon und schaute sinnend auf das Volk, das teils in ehrfürchtig flüsternden Gruppen stand, teils in der Dunkelheit auf und ab promenierte. Viele auch hatten sich, der Musik lauschend, an die gegenüberliegende Mauer gedrängt, und eine ganze Reihe von Gesichtern glänzte fahl in dem aus den Fenstern flutenden Lichtschein.
    Da gewahrte Stanhope den Uniformierten, der sich ihm bei seiner Ankunft in der Stadt präsentiert. Er hatte ihn seitdem völlig aus dem Gedächtnis verloren, der Mann war zur festgesetzten Stunde im Hotel gewesen, doch hatte Stanhope die Verabredung nicht gehalten, und jener hatte nur die Karte zurückgelassen. Jetzt stand er wenige Schritte entfernt unter einem Laternenpfahl, und sein Gesicht schien auffallend böse.
    Ein Unbehagen überlief den Lord. Er verbeugte sich höflich nach der Richtung, wo der Regungslose stand. Darauf hatte der nur gewartet; er trat näher, und dicht am Balkon stehend, war sein Gesicht etwa in Brusthöhe des Grafen.
    »Polizeileutnant Hickel, wenn ich nicht irre,« sagte Stanhope und reichte ihm die Hand; »ich hatte das Unglück, Ihren Besuch zu versäumen, ich bitte mich zu entschuldigen.«
    Der Polizeileutnant strahlte vor Ergebenheit und heftete den Blick andächtig auf den redenden Mund des Grafen. »Schade,« versetzte er, »ich hätte sonst gewiß den Vorzug, den heutigen Abendin Mylords Gesellschaft zu verbringen. Man rechnet meine Wenigkeit hier gleichfalls zu den oberen Zehntausend, haha!«
    Stanhope rückte kaum merklich den Kopf. Was für ein unangenehmer Geselle, dachte er.
    »Waren Eure Herrlichkeit schon beim Staatsrat Feuerbach?« fuhr der Polizeileutnant fort. »Ich meine heute. Die Exzellenz war nämlich bis jetzt starrköpfig, wollte mit Eurer Herrlichkeit nur schriftlich unterhandeln. Es ist mir endlich gelungen, den eigensinnigen Mann andern Sinnes zu machen.«
    All das wurde in der biedersten Weise vorgebracht; doch Stanhope zeigte ein befremdetes Gesicht. »Wie das?« fragte er stockend.
    »Nun ja, ich kann bei dem guten Präsidenten manches durchsetzen, woran andre sich umsonst die Zähne ausbeißen,« erwiderte Hickel, ebenfalls mit dem heitersten und gefälligsten Ausdruck. »Solche Hitzköpfe sind um den Finger zu wickeln, wenn man sie zu nehmen versteht. Haha, das ist lustig: um den Finger gewickelte Hitzköpfe, haha!«
    Stanhope blieb eisig. Er empfand einen an Ekel grenzenden Widerwillen. Der Polizeileutnant ließ sich nicht beirren. »Mylord sollten keinesfalls lange überlegen,« sagte er. »Wenn auch die Angelegenheit jetzt nicht gerade sonderlich drängt, so treffen Sie doch den Staatsrat in einem Zustand von Unentschlossenheit, dünkt mich, der auszunutzen ist. Und

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