Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
fragen, wann er zurückkehrt, denn solche Informationen sind streng geheim. Wahrscheinlich weiß Funktionärin Lei selbst nicht einmal, wann sie ihn zurückerwarten kann.
Die Gesellschaft wünscht nicht, dass wir Außenstehenden von unserer Arbeit erzählen. Cassia weiß, dass ich Funktionär bin, kennt aber keine Einzelheiten. Funktionäre arbeiten in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft.
Die Gesellschaft bildet uns im medizinischen Zentrum für verschiedene Berufe aus. Die Medics kennt jeder, weil sie Krankheiten diagnostizieren und Menschen heilen können. Daneben gibt es Chirurgen, Pharmakologen, Krankenschwestern und Ärzte wie mich. Uns Ärzte setzt die Gesellschaft in den unterschiedlichsten Gebieten der Medizin ein, wie zum Beispiel in der Verwaltung des medizinischen Zentrums. Ich wurde für die Immunisierung der Babys und für die Entnahme der Gewebeproben bei Abschiedsbanketten eingeteilt. Die Gesellschaft behauptet, dies sei eine der verantwortungsvollsten Aufgaben, die ein Funktionär ausüben könne. Eine Grundausbildung in den wichtigsten medizinischen Bereichen durchläuft jeder von uns.
»Welche Farbe hat sie gewählt?«, fragt Funktionärin Lei, als wir uns dem Aircar nähern.
Im ersten Moment bin ich irritiert, doch dann wird mir klar, dass sie Cassias Kleid meint. »Sie hat Grün gewählt«, antworte ich. »Sie sah wunderschön aus.«
Plötzlich ertönt ein Schrei, und wir drehen uns alle drei wie auf Kommando um. Der Vater des Babys kommt so schnell er kann auf uns zugerannt. »Unser älterer Sohn wird einfach nicht wach!«, ruft er. »Ich bin in sein Zimmer gegangen, um nach ihm zu sehen und – irgendetwas stimmt nicht mit ihm!«
»Rufen Sie über Terminal einen Medic!«, antwortet Funktionär Brewer, und wir eilen zurück ins Haus. Ohne anzuklopfen laufen wir hinein und weiter durch zu den Schlafzimmern. Funktionärin Lei lehnt sich ängstlich an die Wand, bevor Funktionär Brewer die Kinderzimmertür öffnet. »Alles in Ordnung?«, frage ich. Sie nickt.
»Hallo?«, ruft Funktionär Brewer.
Die Mutter blickt zu uns auf, das Gesicht aschfahl. Sie hat das Baby noch auf dem Arm. Ihr anderes Kind im Bett reagiert nicht. Er liegt auf der Seite, mit dem Rücken zu uns. Er atmet, aber langsam. Seine Zivilkleider sitzen am Hals etwas locker, so dass man seine Haut sieht. Die Hautfarbe wirkt ganz normal, doch zwischen seinen Schulterblättern entdecke ich ein kleines rotes Mal, und ich spüre eine Welle des Mitleids und der freudigen Erregung zugleich.
Das ist der Anfang!
Die Erhebung hat prophezeit, so würde er sich ankündigen.
Ich muss mich beherrschen, um nicht die anderen im Zimmer anzusehen. Wer außer mir weiß Bescheid? Gehört sonst noch jemand zur Erhebung? Wissen noch andere darüber Bescheid, wie die Rebellion aussehen wird?
Die Inkubationszeit kann unterschiedlich sein, doch wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist, verschlechtert sich der Zustand des Patienten rapide. Die Sprache wird schleppend, der Patient wird schwächer, bis ein fast komatöser Status erreicht ist. Die auffälligsten Zeichen der Seuche sind ein oder mehrere kleine rote Male auf dem Rücken des Patienten. Wenn sich die Seuche einmal großflächig in der Bevölkerung ausgebreitet hat und nicht länger von der Gesellschaft verborgen werden kann, beginnt die Erhebung.
»Was ist das?«, fragt die Mutter. »Ist er krank?«
Wieder reagieren wir alle drei gleichzeitig. Funktionärin Lei fühlt den Puls des Kindes, und Funktionär Brewer wendet sich der Mutter zu, während ich versuche, ihr die Sicht auf das reglos im Bett liegende Kind zu versperren. Solange ich nicht ganz sicher weiß, dass die Erhebung beginnt, muss ich mich wie gewohnt verhalten.
»Er atmet«, antwortet Funktionär Brewer.
»Sein Puls ist in Ordnung«, bemerkt Funktionärin Lei.
»Die Medics sind gleich da«, sage ich.
»Können Sie ihm denn gar nicht helfen?«, fragt die Mutter. »Ihm ein Medikament geben, ihn behandeln …«
»Tut mir leid«, erwiderte Funktionär Brewer. »Er muss zuerst ins medizinische Zentrum gebracht werden, bevor man etwas tun kann.«
»Aber er atmet gleichmäßig, und sein Puls ist in Ordnung«, beruhige ich die Mutter. Keine Sorge , hätte ich am liebsten hinzugefügt. Die Erhebung hat ein Heilmittel. Ich hoffe, sie bemerkt den zuversichtlichen Tonfall in meiner Stimme. Leider kann ich ihr nicht offen sagen, woher ich weiß, dass alles gut werden wird.
Das ist es. Der Beginn der Erhebung.
Wenn die
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