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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Vorgeschichte preisgeben. Das große Ganze kann uns erdrücken, ob es nun um die Geschichte der Gesellschaft, einer Rebellion oder eines einzelnen Menschen geht.
    Glaubt Ky das? Dass keiner alles über ihn wissen will? Dass die Wahrheit zu schwer wiegt, um sie zu ertragen?

Kapitel 43 KY

    Alle anderen schlafen.
    Wollte ich weglaufen, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt.
    Cassia hat mir einmal erzählt, sie wolle ein Gedicht für mich schreiben. Ist sie je über den Anfang hinausgekommen? Welche Worte hat sie für das Ende gewählt?
    Sie hat geweint, bevor sie eingeschlafen ist. Ich habe den Arm ausgestreckt und ihre Haarspitzen berührt. Sie hat es nicht bemerkt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sie weinen zu hören war schmerzlich für mich, und ich fühlte ebenfalls die Tränen über mein Gesicht laufen. Und als ich versehentlich mit dem Arm über Elis Gesicht strich, waren auch seine Wangen feucht.
    Unsere Sorgen haben uns alle ausgehöhlt; Schnitte tief wie Schluchtwände hinterlassen.

    Meine Eltern haben sich dauernd geküsst. Ich weiß noch, wie mein Vater eines Tages aus den Canyons zurückkehrte und meine Mutter beim Malen antraf. Er näherte sich ihr, und sie lachte und malte ihm einen glitzernden Wasserstrich auf die Wange. Als sie sich küssten, schlang sie beide Arme um seinen Hals und ließ den Pinsel fallen.
    Es war richtig von meinem Vater, den Markhams das Dokument zu schicken. Wenn er das nicht getan hätte, hätte Patrick vielleicht nie von den Archivaren erfahren und hätte mir nicht raten können, wie ich in Oria Kontakt mit ihnen aufnehmen konnte. Wir hätten nie den alten Schreibcomputer aufgetrieben. Ich hätte weder zu sortieren noch zu handeln gelernt. Ich hätte Cassia nicht ihr Geburtstagsgedicht schenken können.
    Ich muss meinen Eltern endlich ein Gedenkzeichen setzen.
    Vorsichtig, um nicht auf jemanden zu treten, ertaste ich mir den Weg in den hinteren Teil der Höhle. Ich muss nicht lange in meinem Rucksack suchen, um das zu finden, was Eli mir mitgebracht hat – die Farben. Und einen Pinsel. Meine Hand umschließt seine Borsten.
    Ich öffne die Farbtöpfe und stelle sie in einer Reihe auf, strecke die Hand aus und vergewissere mich, dass sich die Felswand direkt vor mir befindet.
    Dann tauche ich den Pinsel ein und male oberhalb von mir einen Strich auf die Höhlenwand. Ich spüre, wie mir Farbspritzer ins Gesicht tropfen.
    Ich male die Welt und meine Eltern in ihre Mitte, während ich auf das Tageslicht warte. Meine Mutter. Mein Vater. Ein Bild von ihr, wie sie den Sonnenaufgang betrachtet. Ein Bild von ihm, wie er einen Jungen im Schreiben unterrichtet. Sieht er aus wie ich? In der Dunkelheit bin ich mir nicht sicher.
    Ich male Vicks Fluss.
    Zuletzt male ich Cassia.
    Wie viel müssen wir den Menschen, die wir lieben, von uns preisgeben?
    Welche Teile meines Lebens muss ich bloßlegen und vor ihr ausbreiten? Genügt es nicht, dass ich ihr den Weg zu mir gezeigt habe?
    Muss ich ihr gestehen, wie neidisch und verbittert ich mich früher in der Siedlung manchmal fühlte, weil ich so anders war? Dass ich inständig wünschte, Xander zu sein oder irgendeiner der anderen Jungen, die weiter zur Schule gehen durften und wenigstens eine Chance hatten, mit ihr gepaart zu werden?
    Muss ich ihr von der Nacht erzählen, in der ich den anderen Lockvögeln den Rücken zugekehrt und nur Vick und Eli mitgenommen habe? Vick, weil ich wusste, dass er uns beim Überleben helfen würde, und Eli, um meine Schuldgefühle zu lindern?
    Ich muss ihr die Wahrheit sagen, dabei habe ich sie mir bislang nicht einmal selbst eingestanden.
    Meine Hände fangen an zu zittern.
    An dem Tag, als meine Eltern starben, war ich allein auf dem Plateau. Ich sah, wie das Feuer auf das Dorf prasselte. Hinterher rannte ich zu ihnen. So viel ist wahr.
    Doch als ich die ersten Leichen sah, wurde mir übel. Ich musste mich übergeben. Und dann sah ich, dass manche Dinge überlebt hatten. Dinge, keine Menschen. Ein Schuh hier. Eine unversehrte, ungeöffnete Essenspackung dort. Ein Pinsel mit sauberen Borsten. Ich hob ihn auf.
    Und jetzt erinnere ich mich wieder daran. Ich habe mich die ganze Zeit selbst belogen.
    Nachdem ich den Pinsel aufgehoben hatte, blickte ich mich um und sah meine Eltern tot auf dem Boden liegen. Ich versuchte nicht, sie wegzutragen. Ich habe sie nicht beerdigt.
    Ich sah sie und rannte weg.

Kapitel 44 CASSIA

    Ich erwache als Erste. Ein Sonnenstrahl fällt durch den Höhleneingang herein, und ich sehe

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