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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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»So sind die Menschen dort gestorben. Sie fielen wie Sterne.«
    Ky legt den Kopf in die Hände.
    Hunter liest weiter.
    »Sie starben im uferlosen Gras
    Kein Auge den Ort je sah,
    Doch im ew’gen Verzeichnis Gottes
    Scheint ihm jedes Antlitz nah.
    Einige von uns glaubten an ein anderes Leben, eines Tages«, fügt er hinzu. »Catherine zum Beispiel, und Sarah auch.«
    »Aber du nicht«, stellt Indie fest.
    »Nein, ich nicht«, gibt Hunter zu. »Aber das habe ich Sarah nie gesagt. Wie hätte ich ihr diesen Glauben nehmen können? Sie hat mir alles bedeutet.« Er schluckt. »Jeden Abend habe ich sie in den Armen gehalten, ihr Leben lang, bis sie eingeschlafen war.« Tränen rinnen ihm übers Gesicht, genau wie vorhin in der Höhle. Er ignoriert sie wie zuvor.
    »Ich musste mich immer ganz langsam zurückziehen«, erzählt er weiter. »Den Arm anheben. Das Gesicht von ihrem Hals lösen, an dem ich es vergraben hatte, vorsichtig zurückweichen, so dass mein Atem nicht mehr durch ihre Haare strich. Ganz allmählich, damit sie gar nicht merkte, wenn ich nicht mehr da war. Ich habe sie in die Nacht begleitet.
    In der Kaverne überkam mich der Drang, alle Reagenzgläser zu zerbrechen und in der Dunkelheit zu sterben«, fährt Hunter fort. »Aber ich konnte nicht.«
    Er blickt wieder auf das Gedicht und liest die Verse, die er für sie in den Stein graviert hat.
»als plötzlich durch den Juni fährt mit Fingern ein kalter Hauch«
, sagt er, ja, singt es fast, mit trauriger, leiser Stimme. Er steht auf und steckt das Blatt Papier in seinen Rucksack. Dann sagt er: »Ich sehe mal nach, wie es mit dem Regen aussieht«, geht hinaus und stellt sich vor die Höhle.
     
    Als Hunter zurückkehrt, sind Indie und Eli eingeschlafen. Nur Ky und ich sind noch wach. Ich kann Ky neben Eli atmen hören. Es ist so eng hier drinnen, dass es ganz leicht wäre, den Arm auszustrecken und Ky zu berühren, aber ich beherrsche mich. Wie merkwürdig, diese Reise gemeinsam zu unternehmen, während eine solche Distanz zwischen uns herrscht. Ich kann nicht vergessen, was er getan hat. Und was
ich
getan habe genauso wenig. Warum habe ich ihn sortiert?
    Ich höre, wie sich Hunter neben dem Eingang der Höhle niederlässt, und wünschte, ich hätte ihm das Gedicht nicht gegeben. Ich wollte ihm nicht weh tun.
    Wenn ich hier sterben würde und jemand meinen Grabspruch in das Gestein dieser Höhle eingravieren wollte, weiß ich nicht, was ich mir wünschen würde.
    Was hätte sich Großvater als Grabspruch gewünscht?
    Geh nicht gelassen
    Oder
    so hoffe ich, wenn ich die Barre überquert,
    ihm, meinem Steuermann, ins Gesicht zu blicken
    Großvater, der mich besser kannte als irgendjemand sonst, ist mir inzwischen ein Rätsel.
    Genau wie Ky.
    Plötzlich denke ich an die Filmvorführung, bei der er so sehr gelitten hat, und wir lachten, während er weinte.
    Ich schließe die Augen. Ich liebe Ky. Aber ich verstehe ihn nicht. Er lässt mich nicht an sich heran. Auch ich habe Fehler gemacht, das weiß ich, aber ich bin es leid, ihm durch Schluchten und über Ebenen hinterherzuhetzen, meine Hand nach ihm auszustrecken und darauf zu warten, ob er sie ergreift oder nicht. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum er eine Aberration ist. Vielleicht konnte nicht einmal die Gesellschaft sein Verhalten vorhersagen.
    Wer hat Ky eigentlich in den Paarungspool einfließen lassen?
Meine Funktionärin hat behauptet, sie wüsste es, aber sie hat gelogen. Ich habe beschlossen, diese Frage zu verdrängen, denn ich habe mich dafür entschieden, ihn zu lieben. Ich habe mich dafür entschieden, nach ihm zu suchen. Doch jetzt taucht diese Frage wieder auf.
    Wer könnte es gewesen sein?
Ich habe schon an Patrick und Aida gedacht.
    Doch dann kommt mir eine neue Idee, die schockierendste, unwahrscheinlichste, glaubwürdigste von allen:
Könnte es Ky gewesen sein?
    Ich habe keine Ahnung, wie er es hätte anstellen sollen, aber ich weiß auch nicht, wie Xander es geschafft hat, die Papierschnipsel in den Tablettenverpackungen zu verbergen. Liebe verändert das Wahrscheinliche und macht Unwahrscheinliches möglich. Ich versuche, mich daran zu erinnern, was Ky damals in der Siedlung gesagt hat, als wir über den Paarungspool und den Fehler auf meinem Mikrochip gesprochen haben. Hat er nicht gesagt, es wäre egal, wer seinen Namen eingegeben habe, Hauptsache, ich liebe ihn?
    Ich habe nie seine ganze Geschichte erfahren.
    Vielleicht fühlen wir uns sicherer, wenn wir nur Teile unserer

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