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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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aufgeschürft, blutend und zerschunden. Gehetzt.
    Nach einigen Minuten verschnauft Vick, und ich dränge mich an ihm vorbei. Wir müssen weiter in die schmale Schlucht hinein, und zwar so schnell wie möglich. »Vorsicht!«, rufe ich über die Schulter hinweg. »Hier liegen überall Steine!« Ich höre Eli und Vick hinter mir keuchen.
    »Was war das?«, fragt Eli erneut, nachdem wir ein Stück weiter vorgedrungen sind.
    »Jemand ist uns gefolgt«, antwortet Vick. »Und wurde niedergeschossen.«
    »Wir können einen Moment Pause machen«, schlage ich vor und klettere unter einen großen Felsüberhang. Vick und Eli folgen mir.
    Vicks Atem rasselt. Ich sehe ihn an. »Alles in Ordnung«, beruhigt er mich. »Das passiert, wenn ich renne, besonders, wenn ich Staub einatme.«
    »Wer hat sie erschossen?«, fragt Eli. »Der Feind?«
    Vick sagt nichts.
    »Wer?«
, fragt Eli mit schriller Stimme.
    »Ich weiß es nicht«, antwortet Vick. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Du weißt es nicht?«, fragt Eli.
    »Niemand weiß irgendwas«, erwidert Vick. »Außer Ky. Er glaubt, er hat die Wahrheit in einem Mädchen gefunden.«
    Hass kocht in mir hoch, Zorn, der aus reiner Erschöpfung gespeist wird, aber bevor ich reagieren kann, lenkt Vick ein. »Wer weiß. Vielleicht hat er recht.« Er stößt sich von der Felswand ab, an der er lehnt. »Gehen wir weiter. Du zuerst.«
    Die Luft in der Schlucht brennt mir kalt in der Kehle, und ich warte, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und sich düstere Schatten in die Umrisse von Felsen und Pflanzen verwandeln. »Da lang«, bestimme ich. »Ihr könnt eure Taschenlampen auf den Boden richten, falls ihr sie braucht, aber das Mondlicht müsste eigentlich ausreichen.«
    Die Gesellschaft verbirgt vieles vor uns, aber der Wind kennt keine Geheimnisse. Er bringt Hinweise auf das, was geschehen ist, als wir weiter in die Schlucht hineinschlüpfen – den Geruch von Rauch und eine weiße Substanz, die auf uns niederregnet. Weiße Asche. Ich glaube keine Sekunde lang, dass es Schnee ist.

Kapitel 10 CASSIA

    Nach der Landung würde ich am liebsten als Erste das Flugschiff verlassen, um zu sehen, ob Ky auf mich wartet. Doch ich denke an das, was er mir zu Hause in unserer Siedlung geraten hat: Versuche, niemals aufzufallen! Deshalb bleibe ich inmitten der Gruppe und suche Ky von dort aus zwischen den Jungen in schwarzen Mänteln, die sich vor uns aufgereiht haben.
    Er ist nicht dabei.
    »Denkt daran«, ermahnt der Funktionär die Jungen. »Behandelt diese neuen Dorfbewohner genau wie alle anderen. Keine Gewalt irgendwelcher Art. Wir halten Augen und Ohren offen.«
    Keiner reagiert. Einen Anführer scheint es nicht zu geben. Indie tritt von einem Fuß auf den anderen. Ein Mädchen hinter uns unterdrückt ein Schluchzen.
    »Treten Sie vor und nehmen Sie Ihre Rationen in Empfang«, sagt der Funktionär. Niemand drängelt, keiner schubst. Die Jungen bilden eine Schlange und ziehen an uns vorbei. Es muss letzte Nacht geregnet haben. An ihren Stiefeln klebt dicker roter Lehm.
    Ich sehe in jedes Gesicht.
    Einige wirken verängstigt, andere gerissen und gefährlich. Keiner sieht nett aus. Alle haben zu viel erlebt. Ich beobachte ihre Rücken, ihre Hände, als sie die Rationen entgegennehmen, ihre Gesichter, als sie den Funktionär passieren. Sie streiten sich nicht um das Essen, es gibt für jeden etwas. Sie füllen ihre Feldflaschen aus großen blauen Wassertonnen.
    Ich sortiere sie
, realisiere ich. Und dann denke ich:
Angenommen, ich müsste mich selbst sortieren? Was würde ich sehen? Ein Mädchen, das überleben wird?
    Also versuche ich, mich von außen zu betrachten, dieses Mädchen, das den Funktionär und die Wächter beobachtet, die zusammenpacken und mit dem Flugschiff entschwinden. Sie trägt ungewohnte Kleidung und blickt sehnsüchtig in Gesichter, die sie nicht kennt. Ich betrachte ihr wirres braunes Haar und wie sie mit ihrer zierlichen Gestalt kerzengerade dasteht, sogar nachdem die Wächter und der Funktionär weg sind. Einer der Jungen tritt hervor und verkündet den neu angekommenen Mädchen, dass es nichts anzubauen gebe, dass der Feind jede Nacht angreife, dass die Gesellschaft keine Waffen mehr austeile und diese Waffen sowieso nie funktioniert hätten, dass alle im Lager zum Sterben hier rausgeschickt worden seien und keiner wisse, warum.
    Während andere auf die Knie sinken, bleibt das Mädchen aufrecht und stark, weil sie es von Anfang an gewusst hat. Sie kann nicht

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