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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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verübeln«, fügt der Junge hinzu, dessen Verbitterung in Erschöpfung übergeht. »Ich hätte das Gleiche getan. Wenn zu viele von uns weggelaufen wären, hätte man uns erwischt. Sie haben noch versucht, uns zu helfen. Sie haben uns gezeigt, wie wir unsere Gewehre so manipulieren müssen, dass wir sie einmal abfeuern und uns wenigstens wehren können. Trotzdem wussten sie, was sie taten, als sie in jener Nacht wegrannten. Der Zeitpunkt war perfekt. So viele starben in jener Nacht, einige durch unsere eigenen Gewehre. Die Gesellschaft kann kaum wissen, wer zu Asche wurde und wer nicht. Aber ich habe es bemerkt. Ich habe gesehen, wie sie geflüchtet sind.«
    »Weißt du, wo sie jetzt sind?«, fragt Indie.
    »Irgendwo da drin«, antwortet der Junge und zeigt auf das Sandsteingebirge, das von hier aus kaum sichtbar ist. »Unser Dorf lag in der Nähe dieser Berge. Er nannte sie ›Canyons‹. Es gibt mehrere Schluchten, die hineinführen. Er muss verzweifelt gewesen sein, denn darin lauert der Tod. Anomalien, Skorpione, Flutwellen. Trotzdem …« Er hält inne und blickt hinauf zum Himmel, »… haben sie diesen Kleinen mitgenommen. Eli. Er war höchstens dreizehn, der Jüngste in unserer Gruppe, aber mit einer großen Klappe. Was wollten sie bloß mit dem? Warum haben sie nicht einen von uns mitgenommen?«
    Es
ist
Ky.
    »Wenn du ihn hast flüchten sehen, warum bist du ihm nicht gefolgt?«, frage ich.
    »Ich habe gesehen, was mit einem passiert ist, der es versucht hat«, erwidert der Junge tonlos. »Er war zu langsam. Wurde von den Flugschiffen eingeholt und erschossen. Nur die drei haben es in die Berge geschafft.« Gedankenverloren blickt er hinüber zu den Canyons.
    »Wie weit ist es bis dorthin?«, frage ich.
    »Von hier aus sehr weit, vor allem zu Fuß«, sagt er. »Wahrscheinlich etwa 40 bis 50  Kilometer«, fügt er hinzu. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich an. »Glaubst du etwa, du könntest es allein bis dahin schaffen? Letzte Nacht hat es geregnet. Ihre Spuren sind verwischt.«
    »Bitte hilf mir«, sage ich. »Zeig mir genau, wohin er gelaufen ist.«
    Er verzieht das Gesicht zu einem Grinsen, das ich zwar nicht mag, aber verstehen kann. »Und was bekomme ich dafür?«
    »Etwas, das du gut gebrauchen kannst, wenn du in den Bergen überleben willst«, antworte ich, »geklaut aus einem medizinischen Zentrum der Gesellschaft. Mehr erfährst du, wenn du uns wohlbehalten zur Klamm gebracht hast.« Ich werfe Indie einen Blick zu. Wir haben nicht darüber gesprochen, ob sie mit mir kommen will oder nicht, aber es scheint, als wären wir nun ein Team.
    »Na schön«, sagt er, offenbar interessiert. »Aber ich will nicht noch mal Essensreste, die nach Alufolie schmecken.« Indie stößt einen kleinen, überraschten Laut aus, aber ich weiß, warum er auf meinen Vorschlag eingeht. Er will flüchten, traut es sich aber nicht allein. Er hat es in Kys Lager nicht getan und würde es auch jetzt nicht tun. Er braucht uns genauso sehr, wie wir ihn brauchen.
    »Du bekommst etwas Besseres«, sage ich. »Versprochen.«
    »Wir müssen die ganze Nacht durch laufen. Schaffst du das?«
    »Ja«, antworte ich.
    »Ich auch«, sagt Indie, und ich sehe sie an. »Ich komme mit«, sagt sie, eine nüchterne Feststellung. Sie macht, was sie will. Dies wird der Lauf unseres Lebens.
    »Gut«, sage ich.
    »Ich hole euch ab, wenn es dunkel ist und alle schlafen«, verspricht der Junge. »Sucht euch einen Platz zum Ausruhen. Es gibt einen ehemaligen Laden am Ortsrand. Dort ist es vielleicht am besten. Die Lockvögel, die dort wohnen, werden euch nichts tun.«
    »In Ordnung«, sage ich. »Aber angenommen, es gibt einen Angriff?«
    »Wenn es einen gibt, hole ich euch ab, sobald er vorüber ist. Falls ihr dann nicht tot seid. Habt ihr Taschenlampen bekommen?«
    »Ja.«
    »Bringt sie mit. Der Mond scheint zwar, aber er ist nicht mehr voll.«
     
     
    Der Mond steigt über den schwarzen Felsen auf, und die Silhouette der Gebirgskette tritt klar hervor. Ich hatte nicht mehr an sie gedacht, obwohl der schwarze Kamm den Horizont verdunkelt. Genau wie in Tana leuchten hier unzählige Sterne am klaren Nachthimmel, hell und fast zum Greifen nah. »Bin gleich wieder da«, sagt Indie und schlüpft davon, bevor ich sie aufhalten kann.
    »Sei vorsichtig!«, flüstere ich, aber zu spät. Sie ist schon weg.
    »Wann kommen sie normalerweise?«, will eines der Mädchen wissen. Wir haben uns alle um die Fenster gruppiert, in denen keine Fensterscheiben

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