Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
zu besichtigen. Ich begleitete sie, damit ich später mit Grant über die ersten Arbeiten sprechen konnte. Ich war von Paul sehr beeindruckt, und seine Vorschläge gefielen mir sehr gut. Er hatte ein maßstabgetreues Modell der geplanten Fabrik entworfen und es harmonisch der Landschaft angepaßt. Es sah aus wie ein kompliziertes Tatterton-Spielzeug.
»Ich möchte gern den Wald hier erhalten«, sagte er und zeigte auf die rechte Seite des Modells, »und nur eine geschwungene Auffahrt bauen, hier, wo die Anfahrt für die Lieferanten abbiegt. Natürlich müssen die Gebäude alle aus Holz sein. Gebäude aus Stein oder aus Metall wären in dieser Umgebung…« Er schaute zu mir auf. »Nicht ganz angemessen. Meinen Sie nicht auch?«
Ich antwortete nicht, doch er wußte, daß es mir gefiel. Er lächelte und fuhr mit seinen Erklärungen fort. Er hatte es geschafft, der Fabrik den Charakter einer Hütte zu geben. Sie sah aus, als gehöre sie zu den Randgebieten von Winnerow. Es gab eine Kantine, wo die Handwerker ihr Mittagessen einnehmen konnten, einen großen Arbeitsbereich, genügend Lagerraum und großzügig geschnittene Räume für die Auslieferung und Verpackung. Es gab ein Büro für Tony oder Logan, das immer zu ihrer Verfügung stehen würde. Es gab sogar einen Ruhebereich für die Angestellten.
»Ich hätte das Modell gern, wenn Sie es nicht mehr brauchen«, sagte ich.
»Natürlich, Mrs. Stonewall. Ich übernehme die Zustellung sogar selbst«, sagte er. Er flirtete mit mir, aber weder Logan noch Tony schienen es wahrzunehmen.
Logan mußte in der nächsten Zeit oft zwischen Winnerow und Farthy hin und her pendeln. Einige Male begleitete ihn Tony, meistens jedoch fuhr er allein. Logan hatte jetzt große Aufgaben. Ich beschloß, daß es keinen Grund für mich gab, nach Winnerow zurückzugehen, ehe die Fabrik nicht fertiggestellt war.
Nachdem der Bau begonnen hatte, begab sich Logan auf die Suche nach Handwerkern, die er später einstellen wollte. Wenn er zurückkam und einige der Leute beschrieb, die er kennengelernt hatte, fühlte ich mich des öfteren an Großpapa erinnert. Sogar einige der Namen, die Logan dann erwähnte, waren mir noch vertraut. Er hätte es gern gesehen, wenn ich ihn auf der Suche begleitet hätte, aber ich dachte, daß es zu schmerzhaft für mich wäre und mir lebendig all das vor Augen führen würde, was ich verloren hatte.
In der Zwischenzeit lebte ich ein ruhiges Leben in Farthy. Wenn Logan fort war, aß ich meistens mit Tony, und wir sprachen oft über die Theaterszene in Boston. Er bot mir immer wieder an, Karten für die eine oder andere Vorstellung zu kaufen.
»Schließlich sind meist wir es, die entscheiden, ob eine Show nach New York kommt oder nicht. Für die Welt des Theaters sind wir sehr wichtig«, sagte er. Immer wieder versuchte Tony, mich zu überreden, ihn zu einer der neuen Shows zu begleiten. Aber mir genügte es, wenn ich lesen konnte und ab und zu, um etwas Bewegung zu haben, ausritt und Martha Goodman bei der Versorgung von Jillian half, die, durch Beruhigungsmittel hilflos gemacht, wie ein kleines Mädchen wirkte. Sie redete fast gar nicht mehr von Geistern.
Schließlich erklärte ich mich bereit, Tony an einem Samstagabend zu einer Premiere nach Boston zu begleiten. Zum Teil geschah es aus Langeweile, zum Teil aus echtem Interesse an dem Stück. Logan sollte erst am kommenden Mittwoch zurückkehren. Ich ging in meinen Ankleideraum und überlegte, was ich anziehen sollte. Ich sah die Kleider durch, die Tony einst gekauft hatte, um den Kleiderschrank in den neuen Räumen zu füllen. Es war alles Teil einer Überraschung gewesen, doch bis jetzt hatte ich mir die Stücke noch nicht angeschaut.
Am Ende der Stange entdeckte ich ein schwarzes Atlaskleid mit einem gefältelten Rock und einem ärmellosen Spitzenoberteil. Das Oberteil war schulterfrei. Durch einen herzförmigen Ausschnitt wirkte es sehr verführerisch. Tony hatte schon immer ein gutes Gefühl für Form und Größe gehabt. Das hatte ich schon bemerkt, als er mich damals für die Winterhaven-Schule – eine Privatschule für wohlhabende Töchter – mit einer kompletten Garderobe ausstattete. Als ich das Kleid anzog und mich damit im Spiegel betrachtete, verspürte ich ein kleines Kitzeln im Magen, hervorgerufen durch das Bewußtsein meiner eigenen sexuellen Anziehungskraft. Mein Busen war hochgehoben, und die Spalte am Brustansatz wurde dadurch vertieft. Ich fühlte mich in dem Kleid überwältigend und
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