Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Warum denn?«
»Weil ich den Rest des Sommers mit dir verbringen will. Ich werde dir helfen, wieder gesund zu werden«, sagte er und lächelte mich an.
»O Luke, das will ich nicht.« Der Stuhl kam unten zum Stehen, und ich rutschte in den bereitstehenden Rollstuhl hinüber.
»Es hat keinen Sinn, daß wir lange darüber diskutieren Annie. Ich weiß, was ich will«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Ich wußte, es war egoistisch von mir, aber ich war so glücklich, daß er diese Entscheidung getroffen hatte!
»Und was sagt Tante Fanny dazu?«
»Sie ist froh, daß ich noch eine Weile in ihrer Nähe sein werde. Meine Mutter hat sich ziemlich verändert, Annie. Du wirst es schnell selbst merken. Diese Tragödie hat einen verantwortungsbewußten Menschen aus ihr gemacht. Ich bin richtig stolz auf sie.«
»Das freut mich, Luke.«
»Miß Annie«, rief irgend jemand, als wir fast schon an der Haustüre waren. Wir blieben stehen. Rye Whiskey kam aus der Küche.
»Rye. Es ist Rye Whiskey, Luke. Der Koch.«
»Sie gehen nach Hause, Miß Annie?«
»Ja, Rye. Das ist meine Tante Fanny, und das ist mein Cousin Luke. Sie sind gekommen, um mich abzuholen.«
»Das ist gut, Miß Annie«, sagte er, ohne zu zögern. »Ich hab es nicht geschafft, Ihnen was Besonderes zu machen, weil diese Krankenschwester mir andauernd über die Schultern geschaut hat. Und jetzt…«
»Ich weiß, Rye. Es tut mir leid.«
»Keine Ursache. Sie kommen zurück, wenn Sie wieder ganz auf dem Damm sind, und dann mach ich Ihnen das beste Essen, das es außerhalb vom Paradies gibt.«
»Ich werde Sie beim Wort nehmen, Rye.«
Sein Gesicht wurde wieder ernst.
»Die Geister haben keine Ruhe gegeben, stimmt’s, Miß Annie?«
»Ja, Sie hatten wohl recht, Rye.«
Er nickte düster. Tante Fanny starrte ihn kopfschüttelnd an.
»Wieviel hat’n der gebechert? Gott, was für’n Ort das hier ist. Los Luke, machen wir, daß wir wegkommen!«
Luke öffnete die Eingangstür, doch als er zurückkam, um mich hinauszuschieben, hörten wir Tonys Schrei.
Wir fuhren herum und blickten die Treppe hinauf. Dort stand Tony mit dunkelrot verfärbtem Gesicht und ballte die Fäuste.
»Wenn Sie das Mädchen aus diesem Haus fortbringen, sind Sie für alle Folgen verantwortlich. Ich habe schon den Arzt angerufen. Er war außer sich.«
»Na, dann sagen Sie ihm, daß er sich selbst einen Arzt suchen soll«, sagte Tante Fanny und gluckste über ihren eigenen Witz. Dann bedeutete sie Luke, er solle weitergehen, und er begann mich aus dem Haus zu schieben.
»Halt!« schrie Tony und stürmte die Treppe herunter.
»Der Mann is plemplem«, murmelte Tante Fanny.
»Halt!« rief Tony, der mittlerweile unten angelangt war. »Sie können sie nicht mitnehmen. Sie gehört mir.«
»Ihnen?« Tante Fanny lachte verächtlich.
»Sie gehört mir!« Er schöpfte tief Atem, dann brach ein verzweifeltes Geständnis aus ihm heraus. »In Wahrheit ist sie nämlich meine Enkelin, nicht meine Stief-Urenkelin. Das ist einer der Gründe, warum deine Mutter von hier weggelaufen ist, Annie! Als sie herausfand, daß…«
»Was herausfand, Tony?« ich drehte meinen Rollstuhl um, so daß ich ihm ins Gesicht sehen konnte.
»Als sie herausfand, daß Leigh und ich… ihre Mutter und ich… Heaven war meine Tochter, nicht die von Luke.«
»Großer Gott!« stieß Fanny hervor und trat einen Schritt zurück.
»Es ist die Wahrheit. Ich schäme mich für das, was ich getan habe, aber ich schäme mich nicht dafür, daß du meine richtige Enkelin bist, Annie. Und das bist du tatsächlich. Verstehst du, was ich meine? Du gehörst hierher zu mir, zu deinem richtigen Großvater.« Sein fordernder Befehlston war einem verzweifelten Flehen gewichen.
Ich starrte zu ihm hoch. Jetzt hatten die Geschehnisse der letzten Nacht einen Sinn bekommen. Kein Wunder, daß er mich Leigh genannt hatte, als er an mein Bett gekommen war. Er hatte seine Affäre mit ihr noch einmal durchlebt, eine Affäre, die er in diesem Haus mit ihr gehabt hatte, zu einer Zeit, als sie noch ein Kind gewesen war!
»Dann ist das, was gestern geschehen ist, also schon einmal passiert«, schloß ich laut.
»Was ist gestern passiert?« fragte Fanny und kam näher.
»Es tut mir leid, was gestern geschehen ist, Annie. Ich wußte nicht, was ich tat.«
»Nein?« All diese Male, die er mich schon vorher geküßt und berührt hatte, kamen mir wieder in den Sinn. Die Szene am Tag zuvor, als er mich badete und ich ihn hinter mir
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