Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Fanny hatte vor uns Platz genommen. Ich war so glücklich, Luke zu sehen, daß ich meine Augen nicht von ihm abwenden konnte. Und sein Blick verriet mir, daß er dasselbe empfand.
»Kneif mich, und sag mir, daß dies kein Traum ist, Luke. Sag mir, daß du wirklich wieder bei mir bist.«
»Es ist kein Traum«, sagte er und lächelte mich an.
»Ich habe so oft, so intensiv davon geträumt… Ich kann es immer noch nicht glauben…«, gestand ich. Soweit ich mich erinnern konnte, war es das erstemal, daß ich ihm mein Verlangen und meine Liebe offenbarte, ohne daß ich errötete oder er wegschaute. Wir starrten uns wie gebannt an. Er legte seine Hand auf meine und drückte sie sanft. Alles in mir verlangte nach ihm. Ich verspürte den drängenden Wunsch, ihm mehr zu sagen. Ich sehnte mich danach, daß er mich zärtlich umarmte und küßte…
»Annie, ich habe mir Tag und Nacht Sorgen um dich gemacht. Ich konnte mich in Harvard auf nichts mehr konzentrieren. Jeder versuchte mich auf Parties mitzunehmen, damit ich mit anderen Leuten zusammenkäme; aber ich war zu bedrückt, um an so etwas Gefallen finden zu können. Wie oft saß ich in meinem Zimmer und habe Briefe an dich geschrieben!«
»Briefe, die ich nie erhalten habe!« Es machte mich so wütend. Wenn ich doch seine Briefe bekommen hätte! Dann wären meine trüben und verzweifelten Tage voller Heiterkeit und Zuversicht gewesen.
»Das weiß ich jetzt; aber damals konnte ich nicht verstehen, daß du nicht versucht hast, mich zu erreichen – mich anzurufen oder mir irgendeine Nachricht zukommen zu lassen. Ich dachte…« Er senkte den Blick.
»Was hast du gedacht, Luke? Bitte sag es mir«, bat ich.
»Ich dachte, daß du mich vergessen hättest, nachdem du die schillernde Welt der Reichen in Farthy kennengelernt hattest! Ich fürchtete, Tony hätte dich so sehr abgelenkt, daß ich nicht mehr länger wichtig für dich wäre. Es tut mir leid, Annie, daß ich so von dir gedacht habe«, entschuldigte er sich.
Mein Herz drohte zu bersten. Es war ihm genauso ergangen wie mir!
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe genauso gedacht«, gestand ich.
»Das hast du?« Ich nickte, und er lächelte. »Dann hast du dich wirklich um mich gesorgt?«
»O Luke, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast, wie sehr ich den Klang deiner Stimme vermißt habe! Ich habe mich immer wieder an die schönen Dinge erinnert, die du mir früher gesagt hast. Allein die Gedanken an dich und die Dinge, die du trotz aller Schwierigkeiten in deinem Leben bisher getan hast, gaben mir Hoffnung und Zuversicht.« Ich lächelte. »Strebe nach den höchsten Gipfeln«, flüsterte ich.
»Ich bin so glücklich, daß ich dir eine Hilfe war, obwohl ich nicht an deiner Seite gewesen bin.«
»Doch, du warst in Gedanken immer bei mir! Ich habe so oft davon geträumt, daß ich mit dir wieder im Pavillon wäre!«
»Ich auch«, gestand er, und eine zarte Röte zeigte sich auf seinen Wangen. Ich wußte, daß es ihm schwerer als mir fiel, sich so zu offenbaren. Andere Männer würden ihn als weich oder sogar unreif betrachten. »Während ich dort allein in meinem Zimmer saß, stellte ich mir vor, wir wären wieder zusammen wie an unserem achtzehnten Geburtstag. Ich wünschte, daß dieser Tag für uns zur Ewigkeit geworden wäre. O Annie«, sagte er und drückte meine Hand noch fester, »ich weiß nicht, was mich dazu bringen könnte, dich je wieder zu verlassen.«
»Ich möchte dich auch nie wieder verlassen, Luke«, flüsterte ich. Wir waren uns jetzt so nahe, daß unsere Lippen sich beinahe berührten. Tante Fanny lachte über irgend etwas in der Illustrierten, in der sie las, und wir lehnten uns wieder zurück. Luke blickte aus dem Fenster, ich ließ meinen Kopf gegen den Sitz sinken und schloß die Augen. Luke ließ meine Hand nicht los, und ich fühlte mich wieder sicher, geborgen und behütet.
Ich war so aufgewühlt, als das Flugzeug schließlich landete; aber kaum waren wir am Flughafen in Tante Fannys Auto gestiegen, nickte ich ein. Ich schlief die meiste Zeit auf dem Weg nach Winnerrow. Als ich die Augen wieder öffnete, befanden wir uns in hügeligem Gelände. Wir fuhren eine kurvenreiche Strecke entlang, die ständig bergauf führte; denn es gab keine Schnellstraße, die in die Willies führte. Bald wurden die Abstände zwischen den Tankstellen größer. Die großen, ausladenden Motels wurden von kleinen Hütten abgelöst, die in schattigen dichten Wäldern
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