Castello Christo
überflüssig, denn werbraucht einen Stellvertreter, wenn er das Original haben kann?«
»Das ist doch hanebüchener Unsinn«, stieß Voigt aufgebracht aus. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass das tatsächlich funktioniert hätte!«
Bertoni wiegte den Kopf hin und her. »Es stimmt schon, dass Friedrich von Keipen zu dieser Zeit bereits erste Anzeichen einer, sagen wir, emotionalen Labilität zeigte. Aber ich habe ihm dennoch zugetraut, dass er die Kirche damit in ihren Grundfesten hätte erschüttern können. Aber letztendlich war es nicht meine Aufgabe und es stand mir auch nicht zu, Entscheidungen des Magus in Frage zu stellen. Wichtig für mich war, dass er mich mit der Organisation und der Durchführung der Sache beauftragte.«
»Das heißt, Sie gehörten dieser schauerlichen Bruderschaft an?«, fragte Papst Alexander IX. mit zitternder Stimme. »Und ich dachte, Nico ... Was ist mit Niccolò Gatto geschehen?«
Bertonis Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen. »Nun, Niccolòs Geschichte hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich ein Mitglied der Bruderschaft wurde. Lucias Tod nach der Geburt unseres Sohnes Paolo schürte meinen Hass auf die irrsinnigen Dogmen der katholischen Kirche.«
Die drei Männer waren zusammengezuckt und starrten Bertoni jetzt ungläubig an.
»
Ihres
Sohnes?«, fragte Papst Alexander IX. leise.
»Ja, meines Sohnes. Lucia war eine herrliche Frau, viel zu schade für Niccolò, dessen heimliche Freundin sie war. Als sie von mir schwanger wurde, haben wir uns darauf geeinigt, dass wir Niccolò in dem Glauben lassen, er sei der Vater des Kindes.«
»O mein Gott!« Der Papst schwankte bedenklich, sodass Matthias alle Mühe hatte, ihn auf den Füßen zu halten.
Schließlich nickte Bertoni. »Holen Sie ihm schon einen Stuhl, von Keipen. Aber langsam.«
Vorsichtig ließ Matthias den Arm des alten Mannes los, bereit, sofort wieder zuzugreifen. Als er merkte, dass Papst Alexander IX. stehen blieb, zog er einen der Messdienerstühle heran. Der Lauf der Waffe blieb dabei die ganze Zeit auf ihn gerichtet. Noch während das Kirchenoberhaupt sich langsam auf den Stuhl sinken ließ, redete Bertoni weiter.
»Dann beging Niccolò jedoch den Fehler, sich seinem engen Freund Massimo anzuvertrauen und ihm von der Schwangerschaft zu erzählen. Und der hatte nichts Besseres zu tun, als es dem Bischof zu berichten. Und weil der daraufhin Niccolò quasi aus der Kirche schmiss und er und seine Freundin – meine Lucia – der Schande wegen flüchten mussten, kam mein Sohn unter Umständen zur Welt, die dazu führten, dass seine Mutter starb. Sie ist verblutet, Massimo Ferdone.« Bertonis Stimme war schärfer geworden, und er sah den Papst nun direkt an. »In jedem Krankenhaus hätte man sie retten können, aber ihr selbstgefälligen Pfaffen habt sie in Schande fortgejagt, so dass sie das Kind heimlich auf einem alten Bauernhof bekommen musste wie ein Stück Vieh.«
Die Augen des Papstes wurden feucht, aber er sagte nichts.
»Damals habe ich zum ersten Mal die katholische Kirche verflucht«, fuhr Bertoni fort, »aber es brauchte noch viele Jahre, bis ich mich endgültig dazu entschloss, es euch heimzuzahlen. Niccolò liebte meinen Sohn, den er für seinen eigenen hielt. Ich konnte aus der Ferne beobachten, wie Paolo zu einem stattlichen jungen Mann wurde.«
Bertoni machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach.
»Als er 1973 von einem Wegelagerer erschlagen wurde, nahm Niccolò sich noch in der gleichen Nacht das Leben. Um den gutgläubigen Nico tat es mir zwar auch irgendwie leid, aber mit meinem Sohn hatte euer Gott mir den letzten Menschen genommen, der mir je etwas bedeutet hatte.«
Matthias nickte. »Ja, er hat Ihnen so viel bedeutet, dass Sie sich nicht um ihn kümmerten und zusahen, wie er jemand anderen für seinen Vater hielt.«
»Halten Sie den Mund!«, fuhr Bertoni ihn an. »Was wissen Sie denn? Ich habe ihn geliebt, und sein Tod war die indirekte Folge der Starrsinnigkeit der Kirche. Hätte man damals nicht . . .«
Er stockte und atmete tief durch.
»Ich habe damals den Brief geschrieben und mit Niccolòs Namen unterzeichnet«, fuhr er schließlich fort, wieder an Papst Alexander IX. gewandt, der jedoch nicht darauf reagierte, sondern nur starr vor sich hin sah. »Als ich kurze Zeit später von einem Priester angesprochen wurde, der mir etwas von einer geheimen Bewegung erzählte, die die Kirche grundlegend verändern wolle, hatte ich den Weg gefunden, mich an der
Weitere Kostenlose Bücher