Castello Christo
Rest des Vermögens, das der Magus uns damals für unser Projekt zur Verfügung gestellt hatte, ein sorgenfreies Leben führen können.«
Ohne den Arm mit dem Telefon zu bewegen, sah er auf sein Handgelenk.
»Noch eine Minute, dann wird sich die Welt verändern.«
Matthias sah Varotto flehend an.
»Erschieß ihn, Daniele«, sagte er mit beschwörender Stimme. »Los, drück ab. Schnell!«
Varottos Gedanken rasten. Es gab nur eine Möglichkeit, und auch die war sehr riskant. Selbst wenn sein Vorhaben funktionierte, war der Papst in großer Gefahr. Und sollte er daneben schießen ...
»Noch zwanzig Sekunden«, sagte Bertoni, und der Triumph war seiner Stimme deutlich anzuhören.
»Daniele, um Gottes willen, schieß!« Matthias schrie fast.
In diesem Moment nahm Varotto aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und handelte. Schnell hintereinander fielen zwei Schüsse, eine Sekunde später ein weiterer. Sowohl Bertoni als auch die drei Männer vor ihm gingen zu Boden.
Varotto stand unbeweglich da, die Waffe noch in derselben Position haltend, der Lauf zeigte ins Leere.
Erst nach einigen Sekunden löste er sich aus seinerStarre und registrierte erleichtert, dass keine Explosion erfolgt war.
Mit schnellen Schritten war er bei Bertoni und kickte dessen Waffe zur Seite. Die Hand des Alten, die das Telefon gehalten hatte, war blutüberströmt. Hektisch suchte Varottos Blick nach dem Handy und fand seine Einzelteile über den ganzen Altarboden verstreut. Befreit atmete er auf, packte den Mann an der Schulter und rollte ihn auf den Rücken. Auf der linken Brust konnte er auf Höhe des Herzens ein kreisrundes Loch erkennen. Beide Schüsse hatten ihr Ziel also getroffen. Varotto legte zwei Finger an Bertonis Halsschlagader. Der alte Mann war tot.
In diesem Augenblick hörte er ein Stöhnen hinter sich. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass noch ein dritter Schuss gefallen war. Mit einem Satz war er bei den drei Männern. Kardinal Voigt versuchte sich gerade aufzurichten. Ihm schien es gut zu gehen. Der Papst hingegen lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, Matthias bäuchlings über ihm. Varotto drehte den Deutschen vorsichtig um und sein Blick fiel dabei auf die weiße Soutane des Papstes, die blutdurchtränkt war.
»Er hat sich vor mich gestellt. Er hat mit seinem Körper die Kugel abgefangen, die mich treffen sollte«, stammelte das Kirchenoberhaupt mit brüchiger Stimme
Nun erst begriff Varotto, dass es nicht das Blut des Papstes war, das er sah.
»O nein!«, rief er aus und bettete Matthias vorsichtig auf den Boden. Der gesamte Bauch war dunkelrot. »Nein! Matthias!«
Als hätte er ihn gehört, schlug der Deutsche noch einmal die Augen auf. Er schien zwei, drei Sekunden zu benötigen, um zu verstehen, was geschehen war, dann zeigte sich ein flüchtiges Lächeln auf seinem Gesicht.
»Gott sei Dank, der Vatikan steht noch«, flüsterte er. »Was ist mit dem Heiligen Vater?«
»Es ist gut, Matthias. Es geht ihm gut.« In Varottos Stimme lag eine solche Zärtlichkeit, dass sie ihm selbst fremd erschien. »Ich rufe einen Arzt. Halt durch. Du wirst bald wieder auf den Beinen sein.«
»Nein. Mir ist kalt. Ich spüre meine Beine nicht mehr, Daniele. Hör zu, die . . .«
»Nun rede keinen Unsinn«, unterbrach Varotto ihn betont barsch. »Du wirst wieder gesund.«
Matthias atmete flach, das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer. »Daniele, bitte, hör mir zu. Die beiden letzten Stationen. Du musst die Männer retten!«
»Welche Stationen, zum Teufel, Matthias! Ich muss jetzt dafür sorgen, dass dir geholfen wird.«
Doch der Deutsche schüttelte nur schwach den Kopf und erzählte dem Commissario, was er vermutete. Er musste immer wieder eine Pause machen. Mit den letzten Worten schlossen sich seine Augen.
Mit Tränen in den Augen zog Varotto sein Mobiltelefon heraus und schaltete es an. Dann wählte er die Nummer eines Polizisten, und bat ihn, sofort mit einer Hundertschaft auszurücken.
VIER TAGE SPÄTER
Vatikan, Camposanto Teutonico
76
Siegfried Kardinal Voigt hatte sein letztes Gebet beendet. Nun standen sie stumm zwischen Palmen und üppig blühenden Büschen und hielten den Kopf gesenkt: Alicia, deren Gesicht von einem schwarzen Schleier verdeckt war und die sich bei Varotto eingehakt hatte, Seine Heiligkeit, Papst Alexander IX., mit geschlossenen Augen in ein stummes Gebet versunken, Barberi, Tissone und Oberst Mähler. Alle betrachteten sie die graue Steinplatte, die das Grab zierte. Der Text darauf
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