Castello Christo
dem Papst und bestimmten Kardinälen vorbehalten war. Hinter dem gewaltigen Marmorblock trat nun dieser Mann hervor und streckte ihm eine Hand entgegen.
»Bitte, Hermann, kommen Sie. Die Zeit drängt etwas, und ich denke, Sie haben noch eine Menge Fragen. Ich verspreche Ihnen, die Antworten werden sehr interessant für Sie sein.«
Er lächelte dabei. Matthias überkam ein fast nicht zu bändigendes Verlangen, sich auf den Mann zu stürzen und in sein lächelndes Gesicht zu schlagen. Wie konnte ein Mensch nur zu solch furchtbaren Dingen fähig sein, wie sie dieser Mann begangen hatte? Ein Mitglied der Römischen Kurie!
12 Uhr 55. Engelsburg
72
Der Fahrer hatte ihn am Lungotevere Castello abgesetzt, nachdem Varotto ihm befohlen hatte, nach zehn Minuten Barberi anzurufen und ihm mitzuteilen, wo er – und vermutlich auch Matthias und der Papst – sich aufhielten.
Nun stand er am Eingang zur einstigen Festung von Adelsgeschlechtern und der Folterkammer der Inquisition, die aber auch von jeher Fluchtburg der Päpste gewesen war. Von hier aus führte ein spiralförmiger Weg über die fünf Ebenen des gewaltigen Rundbaus nach oben. Über einen achthundert Meter langen Gang war die Engelsburg mit dem Apostolischen Palast im Vatikan verbunden, aber dieser Gang interessierte Varotto in diesem Moment nicht.
In der Burg musste er einen Augenblick warten, bis sich seine Augen an die schummrigen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Dann sah er sich suchend nach der schweren Holztür um, die er schließlich auf der linken Seite, etwa zehn Meter entfernt, entdeckte. Mit schnellen Schritten ging er darauf zu. Auf sein Klopfen hin öffnete ihm ein schlanker Mann Anfang dreißig, der zwar zivile Kleidung trug, von dem Varotto aber nach dem Gespräch mit Oberst Mähler wusste, dass er Soldat der Schweizergarde war.
»Ich bin Commissario Daniele Varotto«, stellte er sich vor. »Hat Oberst Mähler Sie . . .«
»Ich weiß Bescheid, Commissario«, unterbrach ihn der Mann. »Bitte, kommen Sie. Oberst Mähler ist mit dem Großteil der Schweizergarde auch schon auf dem Rückweg.«
Das Zimmer entpuppte sich als Überwachungsraum, der vollgestopft war mit allerlei technischen Geräten undMonitoren. Auf einem der Tische breitete der Gardist vor Varotto eine Papierrolle aus, die Kopie eines offenbar schon ziemlich alten Plans, und begann mit einem roten Stift, einen Weg einzuzeichnen, den er dem Commissario gleichzeitig erklärte.
Kurze Zeit später rollte Varotto die Karte zusammen. Der Gardist gab ihm eine starke Taschenlampe und führte ihn dann durch einige modrig riechende Gänge, die teilweise so niedrig waren, dass Varotto sich bücken musste. Dreimal mussten sie vor massiven Türen anhalten, die der Schweizergardist mit seltsam aussehenden Schlüsseln öffnete, bis sie schließlich ein Gewölbe erreichten, von dem aus eine steile Treppe nach unten in die Dunkelheit führte.
Der Mann zog einen weiteren Schlüssel aus der Tasche und reichte ihn Varotto. Er erklärte ihm noch einmal, wo er die Tür dazu finden würde. Varotto dankte und machte sich an den Abstieg, während er – zum ersten Mal seit Francescas Tod – ein Stoßgebet zum Himmel schickte, dass seine Vermutung stimmte und es noch nicht zu spät war.
13 Uhr 01. Petersdom
73
Matthias starrte auf die beiden Männer, die nebeneinander und mit auf dem Rücken gefesselten Händen hinter dem Hochaltar standen. Papst Alexander IX. hatte den Oberkörper etwas nach vorne gebeugt. Es fiel ihm offensichtlich schwer, sich auf den Beinen zu halten. Kardinal Voigt war so dicht an ihn herangetreten, dass er ihn, trotz der gefesselten Hände, zumindest mit der Schulter ein wenig stützen konnte.
Matthias drehte sich zu dem Mann um, der ihn noch immer anlächelte. Als Matthias nur noch etwa zehn Schritte von ihm entfernt gewesen war, hatte er aus der Innentasche seines schwarzen Sakkos eine Pistole gezogen und sie auf den Deutschen gerichtet.
»Damit wir unser Gespräch in Ruhe führen und ich meine Aufgabe ungestört beenden kann«, hatte er erklärt.
Nun sah Matthias ihm voller Abscheu in die Augen. Es war fast nicht zu glauben, wie sehr dieser Mann sich verändert hatte.
»Was sind Sie nur für ein Monster, Bertoni. Zu was sind Sie noch fähig?«
Das Lächeln wurde breiter und gemeiner. »Das ist das perfekte Stichwort, von Keipen, denn in der Tat habe ich noch einiges vor.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Für halb zwei habe ich die Reporter
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