Castello Christo
Commissario schon einige Zeit kannte.«
Das überraschte Alicia lange nicht so sehr, wie ihr Chef das vermutet hatte. Sie sah ihn einfach nur weiter an.
»Soll ich weiterreden? Es wird nicht schön.«
Sie nickte wortlos.
»Vor Manieri hatte sie schon mit anderen Männern aus der Redaktion . . .«
»Auch mit dir, Vincenzo?«
Er senkte den Kopf. Sekundenlang, dann redete er weiter, sah Alicia dabei aber nicht mehr an. »Manieri war stinksauer, als sie ihn wegen Varotto verlassen hat. Als dann dieser Unfall passierte, hat er dem Commissario die Schuld an ihrem Tod gegeben. Ich weiß das aus verschiedenen Gesprächen, in denen er anklingen ließ, dass ›dieser Versager‹ den Tod seiner schönen Francesca zu verantwortenhätte, weil er nicht in der Lage gewesen sei, auf sie aufzupassen. Er hat ihn die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen, und als dann diese Kreuzwegmorde begannen und Varotto nach ein paar Tagen noch immer nichts vorzuweisen hatte, sah Manieri seine Chance gekommen, ihm eins auszuwischen.«
»Das heißt, der Artikel hatte überhaupt nichts mit den Ermittlungen zu tun und auch nichts mit dem Vatikan. Es war die billige Rache eines Mannes, der sich am schönen Körper einer Frau bedient hat und sauer war, dass dieser Körper ihm nicht mehr zur Verfügung stand.«
»Hm ... ja, so ähnlich.«
»Und du hast da mitgemacht und den Artikel geschrieben. Du hast dafür gesorgt, dass ein Mann, der verzweifelt dagegen ankämpft, am Tod seiner geliebten Frau zu zerbrechen, auch noch das Einzige verliert, das ihn aufrecht hält: seinen Beruf.«
Azzani wand sich. »Was sollte ich denn machen? Er ist mein Boss.«
Alicia erhob sich. »Du bist ein elendes, feiges Schwein, Vincenzo.«
Auch der Chefredakteur sprang nun auf. »So redest du nicht mit mir, Alicia. Ich bin noch immer dein Chef!«
»Wirf mich doch raus«, sagte sie und verließ das Büro.
8 Uhr 50. Rom. Questura, Via San Vitale 15
60
Matthias brauchte eine Weile, bis er Barberi und Varotto erzählen konnte, was er gerade erfahren hatte.
»Dieser Voigt ist mir von Anfang an komisch vorgekommen«,brummte Varotto. Er schien nicht sehr überrascht zu sein. »Ich sage euch, der hat auch diese Lügenstory über mich in der Zeitung initiiert.«
Matthias’ Gedanken rasten. Konnte der Kardinal wirklich etwas mit dem Verschwinden des Papstes zu tun haben? Vielleicht gab es ja auch eine plausible Erklärung dafür, dass die beiden nicht aufzufinden waren. Vielleicht hatte Voigt tatsächlich Informationen über Niccolò Gatto erhalten, die so wichtig waren, dass er sie dem Papst noch in der Nacht mitteilen musste. Vielleicht hatte Gatto sich sogar selbst gemeldet, weil er sich mit dem Papst treffen wollte. Falls dem aber so war, warum dann bei Voigt, den er doch gar nicht kannte? Warum nicht bei Bertoni? Das ergab keinen Sinn. Und selbst wenn Voigt kein falsches Spiel spielte, was Matthias immer noch glauben wollte, warum hatte der Papst dann noch kein Lebenszeichen von sich gegeben? Er musste doch wissen, dass man im Vatikan sein Verschwinden schnell bemerken und sofort Großalarm auslösen würde. Letztendlich blieb eine Entführung die einzig logische Erklärung. Eine Entführung unter der wie auch immer gearteten Mitwirkung von Siegfried Kardinal Voigt.
Matthias sah von Barberi zu Varotto, die ihn die ganze Zeit über beobachtet hatten.
»Nehmen wir einmal an, der Kardinal ist tatsächlich in die Sache verstrickt und hat den Heiligen Vater entführt. Welchen Grund könnte es dafür geben? Und wo könnte er ihn hingebracht haben?«
»Seit Tagen werden junge Männer umgebracht, die symbolisch für Jesus stehen. Wie die vergangene Nacht gezeigt hat, befinden wir uns schon vor der zwölften Station, bei der Jesus am Kreuz stirbt. Dass der Papst als Stellvertreter Gottes ausgerechnet in der Nacht entführt wird, die dieser zwölften Station vorausgeht . . .«
Barberi stockte, so dass Matthias für ihn weiterredete: ». .. könnte bedeuten, dass er vielleicht das nächste Opfer ist.«
Matthias hoffte, dass seine Stimme nicht so niedergeschlagen und verzweifelt klang, wie es ihm selbst erschien. Barberi und Varotto machten ein betretenes Gesicht.
»Chef, das müssen Sie sich ansehen.« Einer der Männer, die kurz zuvor den Raum verlassen hatten, stand in der Tür. »Da ist ein Maggiore aus Terni in den Nachrichten von Rete 4.«
Barberi eilte aus dem Zimmer. Der Commissario und Matthias folgten ihm. Zwei Zimmer weiter, im
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