Castello Christo
über den Heiligen Vater?«
Matthias erschien die Pause, bis Bertoni antwortete, wie eine Ewigkeit.
»Ja ... Nein, vom Heiligen Vater haben wir noch immer nichts gehört. Aber ich habe etwas erfahren, das man Ihnen wahrscheinlich noch nicht gesagt hat.«
Wieder entstand ein Moment der Stille, und Matthias wollte Bertoni schon drängen, fortzufahren, als der sagte: »Der Heilige Vater erhielt heute Morgen gegen vier Uhreinen Anruf, in dem ihn der Anrufer bat, ihn sofort zu treffen.«
»Um vier Uhr nachts?«, wunderte Matthias sich. »Wer kann den Papst um diese Uhrzeit anrufen?«
»Der Anruf wurde vom Privatsekretär des Papstes entgegengenommen, und der hätte den Heiligen Vater unter normalen Umständen auch niemals geweckt, aber der Anrufer war ... Kardinal Voigt, und er sagte, es hätte mit Niccolò Gatto zu tun und es ginge um Leben und Tod.«
Matthias’ Brust schnürte sich mit einem Mal so zu, dass er fast keine Luft mehr bekam.
»Kardinal Voigt?«, wiederholte er.
»Ja«, bestätigte Bertoni mit heiserer Stimme. »Seitdem sind beide verschwunden.«
8 Uhr 25. Rom. Redaktionsgebäude des ›Il Cortanero‹
59
»Das ist ja wirklich unglaublich! Auch wenn die Story jetzt schon auf allen Kanälen läuft – wir bringen das morgen auf der ersten Seite. Es ist nicht zu fassen. Da krebst man wochenlang herum und hat keine vernünftige Geschichte für die Titelseite, und plötzlich kommt eine, die hat den Stoff für zehn. Ich möchte, dass du an dieser Sache dranbleibst. Recherchiere die Hintergründe. Das ist der absolute Knaller. Ich seh schon die Schlagzeilen! Wir werden garantiert doppelte Auflage fahren.«
Alicia drückte ihre Zigarette aus und betrachtete ernst das ebenmäßige, leicht gebräunte Gesicht ihres Chefs.
»Ich werde keinen Zirkus daraus machen, Vincenzo.«
Azzani, der es nach vielen erfolglosen Versuchen aufgegebenhatte, mit Alicia zu flirten, beugte sich nach vorne. »Alicia, nur wir haben diese Story aus erster Hand, weil du als einzige Reporterin in diesem Castello warst. Das ist ein Glücksfall und gleichzeitig deine Chance für eine ganze Serie von Titelseiten. Mach das jetzt nicht kaputt.«
Sie verdrehte die Augen und blickte sich in dem Büro um, als würde sie sich langweilen. Ihr Blick wanderte an den geöffneten Schränken vorbei, in denen ein unvorstellbares Chaos aus Zeitungen und Dokumenten herrschte, streifte kurz das Familienbild im gebürsteten Aluminiumrahmen und kehrte dann wieder zu den braunen Augen zurück, die sie die ganze Zeit über musterten.
»Bevor du mir nicht erzählst, wie dieser bescheuerte Artikel über Commissario Varotto zustande gekommen ist, bekommst du keine Story. Und fang mir jetzt nicht wieder damit an, du wüsstest nichts. Wer aus dem Vatikan hat angerufen?«
Er hob die Schultern. »Wieso aus dem Vatikan? Das habe ich nie gesagt.«
»Nun hör schon auf. Du sagtest, ein einflussreicher Mann hätte angerufen, und du sagtest auch, Signore Manieri hätte sich gewundert, was alles im Namen Gottes geschehe.«
Azzani ließ sich in seinem Sessel zurückfallen und verschränkte die Hände vor dem Bauch.
»Also gut. Ich erfülle gerne die Wünsche von schönen Frauen, wenn es mir möglich ist.«
Alicia hielt sich die Hand vor den Mund und tat so, als würde sie gähnen, wovon ihr Gegenüber sich aber nicht beeindrucken ließ.
»Du hast recht, ich weiß, warum Manieri den Artikel haben wollte. Nicht weil er es mir gesagt hat, sondern weil ich einige Hintergründe kenne, die dich wahrscheinlichüberraschen werden. Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich ihr Andenken nicht beschädigen wollte, aber du hast andererseits auch ein Recht darauf, es zu erfahren. Es geht um deine verstorbene Freundin und Kollegin Francesca.«
Francesca? Alicia horchte in sich hinein. Sie wusste nicht, welche Reaktion sie erwartet hatte, aber dass sie nichts fühlte, außer dass ihr Herzschlag sich ein wenig beschleunigte, wunderte sie doch.
Azzani sah sie eine Weile an, als versuchte er abzuschätzen, ob sie verkraften würde, was er ihr zu sagen hatte, dann fuhr er fort: »Es ist schwer zu erklären; Alicia ... Francesca war vielleicht nicht immer so, wie du sie gekannt hast. Weißt du, sie hatte wohl das Bedürfnis . . .«
»Komm zum Punkt, Vincenzo«, unterbrach Alicia ihn mit unbewegtem Gesicht.
»Also ... sie hatte ein Verhältnis mit Signore Manieri, bevor sie und Varotto sich kennengelernt haben. Sie hat Manieri erst verlassen, als sie den
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