Castello Christo
Aufenthaltsraum, hatten sich mehrere Polizisten der Sonderkommission versammelt und starrten gebannt auf den Fernseher.
Gaetanis kahlrasierter Schädel glänzte vor der Kulisse des Castello. Neben ihm stand ein junger Mann im grauen Anzug und hielt ihm ein Mikrofon vor den Mund, während der Maggiore mit stolzgeschwellter Brust erklärte: ». .. haben meine Männer in einer nächtlichen Blitzaktion im Keller eines der Gebäude die Darstellung der elften Kreuzwegstation gefunden, die zweifelsfrei zu der Mordserie gehört, die die Kollegen aus der Hauptstadt vergeblich aufzuklären versuchen.«
Damit schaltete man zurück ins Studio, wo neben der Nachrichtensprecherin ein älterer Herr mit Brille zu sehen war, Dottore Vinti, ein bedeutender Religionswissenschaftler, wie am unteren Bildrand eingeblendet wurde. Hinter ihnen war ein Bild zu sehen, bei dessen Anblick Barberi einen lauten Fluch ausstieß. Es zeigte das alte Schriftstück, das sie im Castello gefunden hatten.
»Dieser Mistkerl hat Fotos gemacht und an den Fernsehsender weitergegeben«, schrie Barberi außer sich. »Demwerde ich ein Disziplinarverfahren an den Hals hängen, dass . . .«
»Pssst!«, wurde er von Varotto unterbrochen, der auf den Fernseher deutete.
». .. das gut 2200 Jahre alt sein könnte«, erklärte der Experte gerade. »Möglicherweise liegt hierin der Schlüssel für diese furchtbaren Verbrechen. Wie ich aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, enthält das Schriftstück nicht nur deutliche Hinweise auf die Geburt Jesu, sondern auch auf seine Wiedergeburt nach rund zweitausend Jahren.« Dottore Vinti machte eine rhetorische Pause, bevor er fortfuhr: »Wenn man also davon ausgeht, dass Jesus von Nazaret wirklich gelebt hat – und aus wissenschaftlicher Sicht besteht darüber kein Zweifel –, so hat man seine Geburt über zweihundert Jahre zuvor prophezeit. Und die Prophezeiung von seiner Geburt hat sich erfüllt. Und so stellt sich für gläubige Menschen die logische Frage, ob nicht auch die zweite Prophezeiung gerade eintrifft: Vielleicht ist eines der Mordopfer tatsächlich der wiedergeborene Sohn Gottes.«
Im Aufenthaltsraum war es mucksmäuschenstill. Barberi starrte mit offenem Mund auf den Bildschirm. »Hören Sie dazu erste Stimmen, die wir vor wenigen Minuten in Rom aufgezeichnet haben.«
Das Bild wechselte, und zu sehen war eine alte Frau, der ein Mikrofon unter die Nase gehalten wurde. »Warum soll es nicht möglich sein? Damals hat auch niemand geglaubt, dass er es ist.« Schnitt, dann ein Mann, etwa Mitte fünfzig. »Wenn es Gott gibt, wäre es jedenfalls allerhöchste Zeit, dass er etwas tut. Ob die Menschheit noch zu retten ist, bleibt allerdings dahingestellt.«
Wieder der Experte im Studio: »So unwahrscheinlich es für uns moderne, aufgeklärte Menschen vielleichtauch klingen mag: Ein gläubiger Christ kann die Möglichkeit von der Wiedergeburt des Heilands auf keinen Fall kategorisch ausschließen. Ganz besonders brisant wird dies hinsichtlich der Lehren der katholischen Kirche, die ganz zweifelsfrei besagen, dass der Zeitpunkt seiner Wiederkehr der Tag des Jüngsten Gerichts ist. Die nächste Frage müsste für gläubige Katholiken also logischerweise lauten: Steht uns das Jüngste Gericht unmittelbar bevor?«
Schwenk der Kamera zur Sprecherin: »So viel im Moment zu den sensationellen Funden der Carabiniere aus Terni in der vergangenen Nacht, während auch hier in der Hauptstadt das wahnsinnige Morden weiterging. Nach der Werbung melden wir uns wieder mit einer Stellungnahme der römischen Polizei.«
Barberi ließ sich auf einen freien Stuhl sinken, während im Fernsehen nun ein Werbespot für eine große Versicherungsgruppe lief.
»Das ist doch nicht möglich«, sagte er verwirrt. »Wie können die wissen, was in dem Schriftstück steht, solange wir weder eine Übersetzung noch das Ergebnis der Analyse haben?«
»Vielleicht hatte Gaetani das Dokument schon längst fotografiert und einen seiner Männer damit nach Rom geschickt, bevor er es uns gezeigt hat«, murmelte Matthias nachdenklich. »Und dieser sensationslüsterne Privatsender hat einen Übersetzer drangesetzt, der schneller arbeitet als der der Polizei.«
Barberis Gesichtszüge verhärteten sich. Er sprang auf. »Sucht mir die Nummer von diesem Maggiore. Auf der Stelle! Das Gespräch in mein Büro!«
Dicht gefolgt von Varotto und dem Deutschen, rauschte er aus dem Raum.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis Gaetani tatsächlich am
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