Cathérine de Montsalvy
schlimmer! Es war schon eine große Freude zu wissen, daß Sara in ihrer Nähe war! Und hatte Tristan nicht gesagt, daß er über Sara wachen werde? Vor kurzem erst war er Cathérine mit den Augen gefolgt, als sie die Dame de La Trémoille ins Gefängnis begleitet hatte. Er mußte erstaunt gewesen sein, sie ohne Cathérine wieder zum Vorschein kommen zu sehen, und daraus seine Schlüsse gezogen haben. Ein wenig beruhigt, rappelte sich Cathérine wieder auf und kehrte zu ihrem Strohhaufen zurück. Wenn die Gräfin sie nicht schon in den folgenden Stunden umbringen ließ, hatte sie eine Chance, zu überleben. Ins Herz der finstersten Gefängnisse dringt die Hoffnung am leichtesten ein, und Cathérines Hoffnung erwachte wieder.
Dennoch verfolgte sie das Neigen des Tages im Kellerfenster mit einiger Bangigkeit. Wenn die Nacht erst angebrochen wäre, säße sie hier in völliger Finsternis … Tatsächlich verschwammen schon die Einzelheiten ihrer düsteren Umgebung. Das Dunkel verschlang die schwarzen, feucht beschlagenen Mauern, und es kam der Augenblick, in dem Cathérine nicht einmal mehr den hellen Fleck ihrer Hand zu sehen vermochte. Ihr war, als überflutete sie tiefes und gefährliches Gewässer …
Doch als hätte sie Cathérines Angst in der Tiefe ihres Kerkers erraten, durchdrang die Stimme Saras die Schwärze der Nacht.
»Schlafe! Die Nächte sind jetzt kurz …«
Es stimmte. Der Sommer brach an, und der Tag war unendlich länger als die Nacht. Angestrengt nach oben starrend, gelang es Cathérine sogar, das kleine, blassere Viereck des Fensters dicht unter der Decke zu unterscheiden. Ein wenig entspannt, ließ sie sich auf ihr Stroh sinken und schloß die Augen …
Hatte sie schon geschlafen, als ein ganz leises Geräusch sie auffahren ließ? Sie war es so gewohnt, mit der Gefahr zu leben, daß ihr Schlaf nie mehr tief war … Sie verhielt sich unbeweglich, spitzte die Ohren und hielt den Atem an. Es war das kaum vernehmbare Knarren ihrer Tür, das sie geweckt hatte. Jemand trat ein oder war schon eingetreten … Sie nahm das hauchzarte Geräusch unterdrückten Atmens wahr, ein leises Knirschen gegen den Stein der Wand, und ihre Herzschläge stockten … Wer war da?
Der Gedanke kam ihr, daß es vielleicht Ratten seien, und dabei standen ihr die Haare zu Berge; aber das Geräusch vorhin war von der Tür hergekommen, dessen war sie sicher. Und dann, einen Augenblick später, hörte sie wieder das leise Atmen, näher jetzt … noch näher! In kalten Schweiß gebadet, hob sie vorsichtig die Hand, sorgfältig darauf bedacht, daß ihre Ketten nicht klirrten, schob zwei Finger in ihr Kleid, zog den Dolch heraus, faßte ihn fest und nahm die Hand ebenso vorsichtig wieder herunter. Entsetzliche Angst bohrte in ihren Eingeweiden. Unversehens sah sie sich wieder, Jahre zurückliegend, im alten Schloßturm von Malaien, wo sie sich jede Nacht gegen die Attacken des Rohlings hatte verteidigen müssen, den man ihr als Kerkermeister gegeben hatte. Alles fing von neuem an … Aber diesmal, wer konnte es sein … und in welcher Absicht?
Ihre Angst bedrängte sie so, daß sie die Zähne zusammenpressen mußte, um ihre Fassung zu bewahren. Jetzt war der Mann ganz nahe … denn es war ein Mann, sie merkte es am Geruch.
Plötzlich warf sich etwas Massiges über sie, und sie stieß einen Schrei aus, der bis in die hintersten Höfe zu hören sein mußte. Das Gewicht, das sie zu Boden drückte, schien ihr ungeheuer, und sie begriff schnell, daß der Unbekannte versuchte, sie zu erdrosseln. Zwei rauhe Hände griffen ihr an die Kehle, umspannten ihren Hals. Saurer, widerlicher Atem strich über ihr Gesicht. Sie wand sich unter dem Mann, um ihren Hals freizubekommen, aber es gelang nicht. Die Hände drückten zu, drückten … Vom Instinkt der Selbsterhaltung, von wildem Lebensdrang getrieben, hob sie schließlich den bewaffneten Arm und stieß ihn mit aller Kraft hinunter. Die Klinge bohrte sich bis zum Heft in einen Rücken. Der auf ihr liegende Körper zuckte jäh zusammen, während ein kurzer Schrei dem Mann entfuhr. Ihrer Kraft beraubt, glitten seine Hände langsam an den Seiten herunter. Etwas Warmes und Klebriges sickerte auf sie … Der Dolch hatte richtig getroffen. Der Mann war mit einem einzigen Stoß getötet worden … Vor Angst mit den Zähnen klappernd, gelang es Cathérine mit einiger Mühe, die Leiche auf die Seite zu schieben. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür der Zelle. Zwei Männer,
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