Cathérine de Montsalvy
ekelhaften Gestank verwandelte. Die mit Tüchern umwickelten Hufe der Pferde glitten auf unzähligen Abfällen aus. Der Fluß war weit, die Menschen dieses Viertels hatten da einen bequemen Schuttabladeplatz gefunden.
Plötzlich schien die Mauer sich zu teilen, der Himmel tauchte wieder auf, und eine dunkle Silhouette hob sich vom Schatten ab.
»Seid Ihr es, Maître Coeur?«
»Ja, wir sind's, Justin. Haben wir uns verspätet?«
»Sehr verspätet. Ihr müßt vor Tagesanbruch noch viel einholen. Beeilt Euch!«
Cathérines Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Sie konnte die schmale Gestalt eines jungen Bogenschützen erkennen, konnte deutlicher den Fleck eines Gesichts unter dem Eisenhut ausmachen. Ein Jagdhorn hing am Riemen an der Seite des jungen Mannes. Einen kurzen Augenblick sah sie zwei lebhafte Augen blitzen.
»Bist du sicher, daß du keine Scherereien bekommen wirst, Justin?«
»Keine Sorge. Der Profos wird denken, Meister Amable habe zuviel getrunken, und niemand wird auf den Gedanken kommen, hier nachzuforschen, übrigens werden die mit Tüchern umwickelten Hufe eurer Pferde keinerlei erkennbare Spuren in diesem Dreck hinterlassen …«
»Du bist ein tapferer Bursche, Justin. Ich werde mich erkenntlich zeigen.«
Das leise Lachen des jungen Mannes klang in die Nacht, sorglos, tröstlich.
»Dankt meinem Vater, Maître Jacques, indem Ihr ihm ein schönes Stück in Auftrag gebt, wenn Ihr reich und mächtig geworden seid. Er träumt davon, den schönsten Gobelin der Welt zu weben, und hört nicht auf, schöne Damen und phantastische Tiere zu entwerfen.«
»Dein Vater ist ein großer Künstler, Justin, das weiß ich seit langem. Ich werde ihn bestimmt nicht vergessen. Auf Wiedersehen, mein Kind, und nochmals vielen Dank! Denn ich weiß, daß du einiges riskierst, trotz allem, was du sagst!«
»Wenn es kein Risiko gäbe, Messire, wo bliebe da die Freundschaft? Geht mit Gott, und macht Euch um mich keine Sorgen, aber beeilt Euch, um Himmels willen!«
Ohne noch ein Wort hinzuzufügen, drückte Jacques dem jungen Mann die Hand und half dann Cathérine, über die von der Verbindungsmauer heruntergefallenen Steine zu klettern. Dahinter lag die Freiheit. Ein kleines Plateau breitete sich vor ihnen, über das heftiger Wind blies, und weiter entfernt stieg der Hügel wieder an. Während einiger Augenblicke schritten die Flüchtlinge wortlos voran, die Pferde noch immer am Zügel führend. Die Nacht schien jetzt weniger schwarz zu sein, oder aber die Augen hatten sich völlig an die Dunkelheit gewöhnt. Cathérine konnte die Formen der Bäume unterscheiden, deren nackte Äste sich unter den plötzlichen Windstößen bogen.
An einer durch ein Kruzifix markierten Wegkreuzung hielt Jacques an.
»Hier trennen wir uns, Cathérine. Dieser Weg«, sagte er, auf den rechten Weg deutend, der den Hügel hinanstieg, »ist der meine. Er führt nach Clermont, von wo ich in die Provence hinuntersteigen werde. Eurer ist der linke. In kurzer Entfernung findet Ihr die Priorei Saint-Alpinien, wo Ihr, wenn Euch danach ist, den Tagesanbruch erwarten und Euch ein wenig ausruhen könnt.«
»Das kommt nicht in Frage, Jacques! Ich möchte so viele Wegmeilen wie möglich zwischen uns und das Gefängnis von Aubusson bringen. Aber es tut mir leid, Euch verlassen zu müssen …«
Instinktiv, um noch einen Augenblick allein sein zu können, entfernten sich der Pelzhändler und die junge Frau über das Kreuz hinaus und überließen es Sara und Bruder Etienne, den Pferden die Tücher von den Hufen zu wickeln. Cathérine empfand tiefes Bedauern bei dem Gedanken an die bevorstehende Trennung. Jacques stellte die Solidität, die ermutigende männliche Kraft dar, deren Gauthiers Flucht sie beraubt hatte und die sie jetzt so grausam vermißte. Die schwarzen, dem Morgen vorangehenden Stunden lasteten mit all ihrer Verzweiflung schwer auf ihr, und Todesangst überfiel sie angesichts all der unbekannten Wege, die sie noch einzuschlagen hatte.
Noch nie vielleicht war ihr das Fehlen eines wahren Heims, eines normalen Lebens so herzzerreißend zum Bewußtsein gekommen wie hier, am Fuße dieses Steinkreuzes. Spontan ergriff sie Jacques' Hand und klammerte sich an sie, während ihr die Tränen in die Au gen stiegen.
»Jacques«, murmelte sie, »bin ich denn zur ewigen Heimatlosigkeit verdammt, zur Einsamkeit ohne Ende?«
In den gespannten Zügen des Pelzhändlers rührte sich etw a s. Cathérine hatte das Gesicht zu ihm erhoben, und so stark
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