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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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auszutauschen. Selbst die bescheidenste Dienerin, die keine Ausgeherlaubnis hatte, ging aufs Dach, um frische Luft zu schnappen. Die Männer zogen es vor, auf die Plätze zu gehen, um sich zu unterhalten, den Märchenerzählern zu lauschen oder die Kunststücke der Komödianten zu bewundern, sofern die muselmanische Sekte, der sie angehörten, ihnen nicht gestattete, eins der Freiluftkabaretts zu besuchen, die oft in den Gärten eingerichtet waren, wo sie sich vergnügen, Wein trinken und die Darbietungen der Tänzerinnen betrachten konnten.
    Cathérine hatte an diesem Abend, während Fatima es ihr in einem Berg von Seidenkissen bequem machte, unter dem nächtlichen Himmel das eigenartige Gefühl, sich gehäutet zu haben. Einmal, weil sie ein außergewöhnliches Wohlgefühl empfand und sich zugleich unbeschwert und entspannt fühlte, und dann, weil das neue Gesicht, das Fatima ihr gegeben hatte, ihr fremd und anziehend zugleich vorkam. Sie hatte mindestens eine Stunde in einem großen, mit lauwarmem Wasser gefüllten Bassin gelegen, während eine am Rand kauernde Sklavin ihr Früchte reichte, die sie für sie geschält hatte. Darauf hatte man sie, bevor man sie in diese sonderbaren Gewänder gekleidet hatte, geschminkt. Ihre Zähne waren mit einer besonderen Paste eingerieben, ihre Lippen mit einem schönen Rot gefärbt worden, und ihre mit Kohle schattierten Augen schienen so riesig, als ob sie ihr bis zum Haaransatz reichten. Ihre lackierten Nägel glänzten wie rötliche Gemmen, und sie fühlte sich wunderbar bequem in ihren neuen Kleidern: weite rosafarbene Musselinhosen, die mit einem breiten Gürtel aus Silberschmiedearbeit an der Hüfte abschlossen und Taille und Bauch nackt ließen, worüber sie ein rosaseidenes Jäckchen mit kurzen Ärmeln trug. Auf dem Kopf hielt ein rundes Käppchen den riesigen rosa Schleier zusammen, in den sie sich hatte hüllen lassen müssen, um auf dem Dach zu erscheinen.
    Eine ganze Weile verharrten Fatima und ihre einzige Klientin in Schweigen (Cathérine hatte erfahren, daß, solange sie in Behandlung war, die Badeanstalt für alle anderen geschlossen blieb, eine verrückte Freigebigkeit Abus, der die dicke Bademeisterin damit tief beeindruckt hatte). Die Nacht war außergewöhnlich mild, von Jasmin- und Orangenduft durchdrungen. Von der Terrasse aus war der Anblick der Stadt, deren Gassen und noch offene Basare durch eine Vielzahl von Öllampen erleuchtet waren, zauberhaft und für eine Frau unerwartet, die an die dunklen Städte des Abendlandes und an ihre durch den Zapfenstreich in Räuberhöhlen verwandelten Straßen gewöhnt war. Das Bild fesselte Cathérine ungemein. Eine seltsam durchdringende zarte Musik, die aus einem der Kabarette kommen mußte, drang zu der jungen Frau empor und kämpfte gegen das sanfte Tosen des benachbarten Sturzbaches an.
    Doch bald schweifte Catherines Blick von der Stadt ab und richtete sich auf den riesigen Komplex des Palastes, der Fatimas Haus überragte. Dieses stand am Ufer des Darro, am Ausgang der Talschlucht, die er zwischen dem Vorgebirge der Alhambra und den Hügeln des Albaicin und der Alkazaba Kadima aushöhlte. Hundertfünfzig Meter über ihm hoben sich die tiefen Zinnen des Palastes vom samtenen Nachthimmel ab. Kein Licht, kein Lebenszeichen, außer den klirrenden Schritten der unsichtbaren Wachtposten, war zu bemerken.
    Cathérine glaubte eine Drohung aus diesen stummen Mauern herauszulesen. Sie schienen ihrem Vorhaben, ihnen ihren Gefangenen zu entreißen, Trotz zu bieten.
    Die Augen der jungen Frau verharrten so lange auf dem unheimlichen, schroffen Abhang, daß Fatima nach einem Augenblick bemerkte:
    »Man könnte meinen, der Palast ziehe dich an, Licht des Morgens. Wovon träumst du, wenn du ihn betrachtest?«
    Dreist antwortete Cathérine:
    »Von dem Geliebten der Prinzessin! Von dem schönen fränkischen Gefangenen … Ich stamme aus demselben Land wie er, mußt du wissen. Es ist daher natürlich, daß ich mich für ihn interessiere.«
    Fatima schlug sich mit ihrer großen Pranke heftig auf den Mund, und im Halbdunkel konnte Cathérine die weißen Augen der Äthiopierin vor Entsetzen rollen sehen.
    »Bist du lebensmüde?« zischte sie. »Wenn ja, dann schicke ich dich lieber gleich deinem Herrn zurück, denn die Nachbarterrassen liegen sehr nahe, und ich sehe da drüben den safranfarbenen Schleier Aichas, der Frau des reichen Gewürzhändlers, das größte Klatschmaul der Stadt. Ich bin zwar schon alt und häßlich, trotzdem

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