Cathérine und die Zeit der Liebe
angenehm war, die frische Kühle der Häuser zu verlassen. Was in keiner Weise das übliche Getriebe an den Markttagen Granadas verhinderte.
Cathérine trat aus dem Schatten einer Moschee, ging auf den Brückenbogen zu, der zum Markt führte, und von dort auf den freien, sonnendurchfluteten Platz vor dem Bab el-Ajuar, dem großen, von herkulischen Nubiern bewachten roten Tor, das die erste Porta der Alhambra bildete, als gellende kriegerische Musik an ihre Ohren schlug. Ein Reitertrupp mit Ghaitas – einer Art Dudelsack – und kleinen Trommeln kam durch das Tor geritten, als Vorausabteilung eines mächtigen Bewaffnetentrupps. Soldaten mit dunklen Gesichtern, wilden Augen, die Lanzen auf den Schenkeln, umgaben auf kleinen, flinken andalusischen Pferden eine Gruppe prächtig gekleideter Reiter, die alle auf dick mit Leder behandschuhten Fäusten Falken oder Geierfalken trugen. Die den Raubvögeln übergezogenen Hauben waren aus purpurroter, mit Edelsteinen besetzter Seide, die Gewänder der Reiter aus kostbarem Brokat, und ihre Waffen strotzten von Gemmen. Ohne Zweifel große Herren. Alle hatten feingeschnittene, edle Gesichter, kurze schwarze Bärte und kohlschwarze Augen. Nur einer hatte ein bartloses Gesicht und trug keinen Turban. Er ritt den anderen etwas voraus, schweigend, hochmütig, lässig seinen feurigen Renner zügelnd, ein schneeweißes Tier, das den Blick Catherines auf sich zog. Sofort glitten die Augen der jungen Frau vom Pferd zum Reiter empor.
Sie unterdrückte einen Schrei: Das Pferd war Morgane, der Reiter Arnaud …
Sehr aufrecht im bestickten Sattel sitzend, überragte er seine Begleiter um einen Kopf, war orientalisch gekleidet, doch in goldbestickter schwarzer Seide, die sich stark von den leuchtenden Farben der anderen abhob, und lässig über die Schultern zurückgeworfen trug er seinen weiten Burnus aus feiner weißer Wolle … Sein schönes Gesicht mit den kantigen Zügen, sein herrisches Profil war hohl, dünn und genauso sonnengebräunt wie das der Mauren. Seine schwarzen Augen brannten von einem dunklen Feuer, aber um die Schläfen zeigten sich zarte Silberfäden in seinem dichten schwarzen Haar.
Wie am Boden festgenagelt und bis ins Innerste erschüttert, verschlang Cathérine ihn mit den Augen, während er im nervösen Tänzelschritt seiner Stute näher kam, gleichgültig, fern, lediglich seinem großen Falken auf der Faust Aufmerksamkeit schenkend, den er sich manchmal ans Gesicht hielt, als wollte er mit ihm sprechen. Sprachlos vor innerer Bewegung stand Cathérine so regungslos da, als wäre sie vom Blitz getroffen. Sie hatte sehr wohl gewußt, daß er ganz in ihrer Nähe lebte; ihm jetzt aber so plötzlich gegenüberzustehen, ihn wiederzusehen, so nahe und gleichzeitig doch so unerreichbar! … Nein, darauf war sie nicht vorbereitet, das hatte sie nicht erwartet. Teilnahmslos gegenüber dem Drama, das sich einige Schritte von ihnen entfernt abspielte, ritten die Kavaliere ihres Weges. Sie würden sich entfernen, würden um die Ecke eines roten Backsteinpalastes verschwinden, dessen wenige schmale Fenster dicht verhängt waren … Ein jäher Impuls drängte Cathérine der hohen schwarzweißen Erscheinung nach, die in die enge Gasse einbog. Doch zwei feste Hände legten sich auf ihre Arme und hielten sie zurück, während der Eunuch, bestürzt die großen Augen rollend, sich vor sie stellte und ihr den Weg versperrte.
»Laßt mich los!« brauste die junge Frau auf. »Was soll das? Ich bin doch keine Gefangene!«
»Wir haben ausdrückliche Befehle von Fatima«, erwiderte eine der beiden Frauen entschuldigend. »Wir müssen dich unter allen Umständen hindern, etwas zu tun, was dich in Gefahr bringen könnte. Du wolltest dich doch auf die Spur der Prinzen setzen …«
»Ist es verboten, sie sich aus der Nähe anzusehen?«
»Aber ja! Die Krummschwerter ihrer Krieger schlagen schnell zu, um so mehr, als sie auch den fränkischen Gefangenen der Prinzessin eskortieren. Du könntest den Kopf verlieren, ehe du dich's versähest … und Fatimas Stock würde ganz schön auf unsere Schultern heruntersausen!«
Offenbar war es eher das, als sie sterben zu sehen, was die Dienerinnen der Äthiopierin besonders fürchteten … aber im Grunde hatten sie recht. Wenn sie sie hätten gewähren lassen, zu welcher Unvorsichtigkeit wäre sie fähig gewesen? Hätte sie sich zurückhalten können, den Mann, den sie liebte, anzurufen? Hätte sie ihre Hände hindern können, den Schleier von
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