Cathérine und die Zeit der Liebe
Leben der Waffenbrüderschaft, des Kampfes, denn ganz im Grunde zweifelte die junge Frau, ob er sich mit einem friedlichen Dasein im Schloß von Montsalvy zufriedengeben würde, das die Mönche zu dieser Stunde wieder aufbauten … Aber das Lächeln Arnauds schwand und machte einer sorgenvollen Miene Platz.
»Können wir noch in dieser Nacht aufbrechen?«
»Warum so eilig? Abdallah wird dir die brüderliche Gastfreundschaft gewähren, die ich selbst dir geboten hätte, wenn ich dich in den Maghreb hätte führen können. Auf diese Weise wirst du eine weniger schlechte Erinnerung an den Islam bewahren.«
»Ich bin dir verbunden. Sei gewiß, daß ich eine gute Erinnerung bewahren werde, wenn nicht an den ganzen Islam, so zumindest an dich, Mansour. Dir zu begegnen, ist ein Segen des Himmels gewesen, und ich bin ihm dankbar dafür! Aber da ist der Verwundete …«
»Er ist verloren. Der Arzt hat es euch gesagt.«
»Ich weiß … Wenn er aber durchhalten könnte, bis wir die Erde Frankreichs erreicht hätten!«
Eine Anwandlung von Zärtlichkeit überkam Cathérine. Dieses Feingefühl Arnauds gegenüber dem bescheidenen Gauthier rührte sie zutiefst. Der Normanne würde sterben, gewiß, aber Montsalvy weigerte sich, seine sterblichen Überreste im Land der Ungläubigen zurückzulassen. Sie hob ihren dankbar strahlenden Blick zu ihrem Gatten. Mansour erwiderte nach einem Augenblick des Schweigens langsam: »So lange wird er nicht mehr leben! Doch ich verstehe deinen Gedanken, mein Bruder! Es soll nach deinem Wunsche geschehen. Noch heute nacht wird mein Schiff Segel setzen … Vorwärts also.«
Er stieg zu Pferd. Cathérine kehrte in die Sänfte zurück, wo Gauthier einen Augenblick das Bewußtsein wiedererlangt hatte. Sein Atmen wurde von Stunde zu Stunde schwieriger und mühsamer. Sein riesiger Körper schien in dem Maße, in dem die Zeit verrann, zu schrumpfen, und sein Gesicht nahm eine bleierne Farbe an, bereits vom Schatten des Todes berührt. Aber er warf Cathérine einen Blick des Erkennens zu, und sie lächelte ihn an.
»Schau«, sagte sie sanft, den Vorhang zurückschlagend, damit er hinaussehen konnte, »da ist das Meer, das du immer so geliebt und von dem du mir soviel erzählt hast. An seinem Gestade wirst du genesen …«
Er schüttelte den Kopf. Der Anflug eines Lächelns huschte über seine weißen Lippen.
»Nein … und es ist besser so! Ich werde … sterben!«
»Sag das nicht!« wandte Cathérine zärtlich ein. »Wir werden dich pflegen, wir …«
»Nein! Es hat keinen Zweck zu lügen! Ich weiß es, und ich … ich bin glücklich! Ihr müßt … mir etwas versprechen.«
»Alles, was du willst.«
Er machte ihr ein Zeichen, näher zu kommen. Cathérine beugte sich über ihn, so daß ihr Ohr den Mund des Todkranken fast berührte. Dann keuchte er:
»Versprecht … daß er nie erfahren wird, was … in Coca … geschah! Es würde ihm weh tun … und es war nur … Barmherzigkeit! Es ist nicht der Mühe wert …«
Cathérine richtete sich auf, drückte leidenschaftlich die heiße, auf der Matratze liegende Hand.
»Nein!« sagte sie heftig. »Es war keine Barmherzigkeit! Es war Liebe! Ich schwöre es dir, Gauthier, bei allem, was mir auf der Welt teuer ist: In jener Nacht habe ich dich geliebt, ich habe mich dir von ganzem Herzen gegeben und hätte dich weitergeliebt, wenn du es gewollt hättest. Siehst du«, fügte sie, die Stimme noch mehr senkend, hinzu, »du hast mir so viel Freude geschenkt, daß ich einen Augenblick mit dem Gedanken spielte, dazubleiben und Granada aufzugeben …«
Sie hielt inne. Ein Ausdruck unendlichen Glücks verklärte die verwüsteten Züge Gauthiers und verlieh ihm eine Schönheit, eine Sanftmut, die ihm nie geeignet hatte. Er lächelte wie ein überglückliches Kind, und zum erstenmal seit jener berüchtigten Nacht fand Cathérine erschüttert in dem grauen Blick die Leidenschaft wieder, die sie damals darin gelesen hatte.
»Du hättest es bedauert, meine Liebe …«, flüsterte er, »aber … hab Dank, daß du es mir sagtest! Ich werde glücklich scheiden … so glücklich!« Und als die junge Frau den Mund öffnete, um vielleicht wieder zu protestieren, murmelte er leiser, mit nachlassender Stimme: »Sag nichts mehr … verlaß mich! Ich möchte gern … mit dem Arzt sprechen … und ich habe nicht mehr viel Zeit! Leb wohl … Cathérine! Ich habe … nur dich auf Erden geliebt!«
Die Kehle der jungen Frau schnürte sich in jähem
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