Cathérine und die Zeit der Liebe
Matratzen verstaut hatte.
Die schneebedeckten Berggipfel zeichneten sich wie gigantische Schemen in der Nacht ab. Der Wind erhob sich und heulte in der Schlucht wie ein kranker Wolf. Und dann kam die Kälte. »Wir müssen ein Obdach für die Nacht suchen«, sagte im Dunkel die Stimme Mansours. »In der Dunkelheit diesen Gebirgsweg weiterzuverfolgen wäre Selbstmord, und von den Banditen Faradjs haben wir nichts mehr zu befürchten. Räumt den Weg, Männer!«
Den zahlreichen ›Plumpsen‹, die darauf folgten, entnahm Cathérine, daß die Toten vom Pfad in den reißenden Bach gestürzt wurden, Feinde und Freunde zur letzten Reise brüderlich vereint. Arnaud, der einen Augenblick verschwunden war, kam zurück, vom Scheitel bis zur Sohle eingekleidet, in weißem Burnus und beturbantem Helm.
Der eisige Hauch der Berggipfel pfiff über die Fackeln. Mit größter Vorsicht setzte man sich den gefährlichen Weg entlang in Marsch, von den Fackelträgern geleitet. An der Spitze Mansour, der sein Pferd am Zügel führte und nach einem geeigneten Zufluchtsort Ausschau hielt. Ihm folgte im Schneckentempo die Sänfte, um den Verwundeten nicht zu schütteln, dem Abu, von Cathérine und Marie unterstützt, Erste Hilfe leistete. Bald öffnete sich glücklicherweise neben dem Weg die schwarze Mündung einer Grotte, die groß genug war, um die Sänfte, nachdem die Pferde ausgespannt waren, teilweise in ihr unterzubringen. Männer und Pferde pferchten sich zusammen. Es wurde ein Feuer gemacht, an das Cathérine sich mit Arnaud setzte, als Abu sie nicht mehr brauchte. Nachdem der Arzt die Wunde verbunden hatte, hatte er Gauthier ein Beruhigungsmittel gegeben, damit er schlafen konnte; aber das Fieber stieg, und Abu verbarg seinen Pessimismus nicht.
»Seine außergewöhnliche Konstitution wird vielleicht ein Wunder bewirken …«, sagte er zu der bekümmerten jungen Frau. »Aber ich wage nicht, daran zu glauben.«
Zutiefst betrübt saß sie neben ihrem Gatten, kuschelte sich an ihn und schmiegte den Kopf an seine Schulter.
Zärtlich legte er den Arm um sie und hüllte sie mit seinem Burnus ein, dann blickte er ihr forschend in die tränenfeuchten Augen.
»Weine, meine Süße«, murmelte er. »Halte die Tränen nicht zurück. Es wird dir guttun, und ich verstehe deinen Kummer, weißt du?« Er zögerte einen Augenblick, und Cathérine fühlte, wie seine Umarmung sich lockerte. Dann erklärte Arnaud entschlossen: »Früher, das kann ich dir offen gestehen, bin ich auf ihn eifersüchtig gewesen … Diese Hingebung eines treuen Hundes dir gegenüber, der unermüdliche Schutz, mit dem er dich umgab, reizten mich … und dann kam die Zeit, da ich den Preis dafür abschätzen konnte. Ohne ihn hätten wir uns vielleicht nie wiedergefunden … und ich verstand, daß ich unrecht hatte, daß seine Liebe zu dir eine andere war als die, welche ich mir vorstellte … wie man eine Heilige verehrt …«
Cathérine fröstelte und fühlte, wie sie zitterte. Die verrückte Nacht von Coca kam ihr jäh ins Gedächtnis, so gegenwärtig, so heiß, daß eine Welle der Scham und der Reue sie überspülte. Sie fühlte sich versucht, sich von ihr zu befreien, sofort einzugestehen, daß Gauthier ihr Geliebter und sie in seinen Armen glücklich gewesen war. Sie öffnete den Mund.
»Arnaud«, hauchte sie, »ich muß dir sagen …«
Aber mit einem schnellen Kuß schloß er ihr fest den Mund. »Nein, sage nichts … Noch ist die Stunde der Erinnerungen oder der Reue nicht gekommen … Gauthier lebt noch, und Abu wird vielleicht das Wunder bewirken, an das er nicht glaubt!«
Der weite Burnus umhüllte die Wärme ihrer beiden aneinandergedrängten Körper. Er bildete eine sichere und köstliche Zuflucht, in der Cathérine ihre kummerbeladene Seele barg. Was würde Arnaud sagen, wenn sie spräche, was täte er? Er würde sie zurückstoßen, würde sie in die Kälte treiben, in der ihre Seele erstarrte … und hier fühlte sie sich doch so gut, so wohl an ihn gelehnt! Es war so schön, ihn neben sich zu fühlen, von seinen wiedergewonnenen Kräften beschützt, von seiner ganzen Liebe, die nur er ihr zu geben wußte. Leidenschaftlich ergriff sie eine der verletzten Hände ihres Gatten. Die Wunden waren wieder aufgegangen, aber das Blut war bereits getrocknet.
Sie preßte die Lippen darauf.
»Ich liebe dich …«, flüsterte sie. »Oh, ich liebe dich so sehr!« Er antwortete nicht, drückte sie nur noch fester an sich, fast tat er ihr weh, und
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