Cathérine und die Zeit der Liebe
in roten Seidenturbanen hatte es aufgetragen, und als es beendet war, hatte Cathérine die Strapazen der Reise vergessen.
»Jetzt ist es Zeit, zu Hamza zu gehen«, hatte Don Alonso, sich erhebend, gesagt. Eifrig war sie ihm durch die riesigen, prunkvollen Säle, die langen, kühlen Gänge und die Höfe des Schlosses zum mittleren Turm gefolgt. Aber das reichliche Souper und die schweren Weine machten das Ersteigen des mächtigen Turms etwas beschwerlich, in dessen oberstem Stockwerk Don Alonso seinen kostbaren Arzt einquartiert hatte.
»Hamza beobachtet auch die Sterne«, vertraute er ihr an. »Es ist das gegebene, ihn an der höchsten Stelle meines Hauses unterzubringen, damit er den Sternen näher ist.«
Tatsächlich öffnete sich der Raum, den Don Alonso jetzt vor Cathérine betrat, durch einen langen Ausschnitt der Decke, der das dunkelblaue, mit Sternen besäte Firmament einfaßte, direkt zum Himmel. Fremdartige Instrumente standen und lagen auf einer großen Ebenholztruhe. Doch Cathérine hielt sich nicht bei ihnen auf. Auch nicht bei der unwahrscheinlichen Anhäufung von Töpfen, Fläschchen, Retorten, staubigen Pergamentrollen, Bündeln von Pflanzen und barbarischen Werkzeugen. Sie sah nur eins: den langen Marmortisch, auf dem Gauthier ausgestreckt lag, mit starken Lederriemen festgeschnallt. Neben ihm stand ein weißgekleideter Mann mit weißem Turban, der ihm mit einer dünnen Klinge, die im Schein mehrerer Dutzend gelber Wachskerzen blitzte, den Kopf rasierte. Die Hitze, die die Kerzen ausstrahlten, war erstickend, der Geruch des warmen Wachses widerlich, aber Cathérine war nur an dem Arzt interessiert. Auf der anderen Seite des Tischs bemerkte sie eben noch Josse. Der Maure Hamza bot einen imposanten Anblick. Groß und sehr korpulent, trug er den gleichen weißen, seidigen Bart, wie Cathérine ihn so oft an ihrem Freund Abu al-Khayr bewundert hatte. In seiner schneeweißen Kleidung und mit seinem beherrschenden Blick ähnelte er einem Propheten, doch seine Hände, die mit dem Kopf Gauthiers beschäftigt waren, wirkten unglaublich klein und zart, wahre Vogelkrallen am Leib eines alten Tieres. Ihre Gewandtheit hatte etwas Unwirkliches an sich.
Beim Eintritt Catherines und ihres Gastgebers unterbrach er seine Arbeit nicht, grüßte seinen Herrn nur mit einem kurzen Neigen des Kopfes und die junge Frau mit einem schnellen, gleichgültigen Blick. Cathérine betrachtete indessen unruhig die Reihe silbrig blitzender Instrumente, die auf einem mit weißglühenden Kohlen gefüllten Dreifuß ausgelegt waren. Don Alonso und Hamza tauschten ein paar schnelle Sätze, deren wesentlichsten Inhalt der Bischof übersetzte.
»Die Krankheit dieses Mannes kommt von seiner Kopfverletzung. Seht selbst. An dieser Stelle ist die Schädeldecke eingeschlagen und drückt auf das Gehirn.«
Er wies auf die Wunde, die jetzt auf der entblößten Haut des Schädels deutlich und gut sichtbar war. Die blutverkrustete Einbuchtung war nur zu klar zu erkennen.
»Also ist er verloren?« stammelte Cathérine.
»Hamza ist tüchtig«, versicherte Don Alonso lächelnd. »Er hat schon Verletzungen operiert, die von Hammerschlägen oder Waffenhieben herrührten.«
»Was wird man nun mit ihm machen?«
Zur großen Überraschung Catherines ergriff der Arzt selbst das Wort, um sie in einem beinahe fehlerlosen Französisch aufzuklären.
»Mit Hilfe dieses Meißels«, sagte er, auf eine Art Drehbohrer zeigend, dessen Ende pfeilförmig war, »werde ich die Hirnschale um die Einbuchtung herum herausschneiden, und zwar derart, daß ich den verletzten Teil wie eine kleine Kappe abheben kann. So werde ich die Schäden sehen, die möglicherweise dem Gehirn zugefügt wurden, und die vielleicht beschädigten Knochen wieder einrichten können. Wenn das nicht gelingt, müssen wir ihn der Gnade des Allmächtigen empfehlen … Aber auf jeden Fall wird Blut fließen, und das ist kein Anblick für die Augen einer Frau. Es wäre besser, wenn du dich zurückzögest«, schloß er mit einem schnellen Blick auf die junge Frau. Diese richtete sich auf und ballte die Hände.
»Und wenn ich es vorziehe hierzubleiben?«
»Dann riskierst du, ohnmächtig zu werden … und meine Aufgabe wäre darüber hinaus noch schwieriger. Mir ist es lieber, du gehst«, sagte er sanft, aber fest.
»Dieser Mann ist mein Freund, und er wird furchtbare Qualen unter deinem Messer leiden. Ich könnte ihm helfen …«
»Leiden? Glaubst du? … Sieh doch, wie fest er
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