Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Briten das Wort überhaupt aussprechen konnten, geschweige denn dass sie die ihm zugrunde liegenden Vorstellungen verstanden.
So wie der Schreiber Caesar interpretierte, waren die Briten ein undisziplinierter Pöbel mit einer merkwürdigen Vorstellung von der Kriegführung mit Streitwagen. Ihre Hügelfestungen seien kaum mehr als Erdhügel, umgeben von schwächlichen Palisadenzäunen. Es seien nur geringe Verluste zu erwarten, und es gebe ausgiebig Gelegenheit, sich mit Kriegsbeute zu bereichern – vor allem mit Sklaven. Vespasian wurde geraten, diesen Punkt gegenüber den Offizieren und Soldaten der Legion, die ansonsten ein Opfer der abergläubischen Gerüchte werden mochten, welche die in Nebel gehüllte Insel jenseits der Grenzen der bekannten Welt umgaben, besonders hervorzuheben. An diesem Punkt, vermutete Vespasian, war sich der Schreiber wohl seiner Schönfärberei bewusst geworden, denn anschließend wurde der Ton des Schreibens wieder sachlicher. Vespasian wurde angewiesen, konsequent gegen all jene vorzugehen, die solche Gerüchte in Umlauf brachten, und auf strengste Disziplin in der besten Tradition der römischen Armee zu achten. Das Schreiben schloss kurz angebunden mit einem Terminplan der in den nächsten Monaten vorzunehmenden Truppenbewegungen.
Vespasian legte das Dokument beiseite, trank den Wein aus und blickte auf die Schreiben auf seinem Tisch nieder. Der Feldzug wäre, zurückhaltend formuliert, ein rechtes Abenteuer. Er umfasste die Bereitstellung einer riesigen Streitmacht, die tägliche Versorgung und das Anlegen von Reserven für die Versorgung nach der Landung, den Bau einer Flotte, die Ausbildung der Armee in Seekriegsführung – ganz zu schweigen vom eigentlichen unbedeutenden Feldzug und der Bildung einer gänzlich neuen Provinz mitsamt der damit einhergehenden Infrastruktur. Und wozu das alles? In dem Schreiben war von riesigen Vorräten an Gold, Silber und Zinn die Rede, die auf der Insel zu finden wären. Nach allem, was Vespasian von den Händlern gehört hatte, welche die Festung aufsuchten, war auf der Insel nicht viel zu holen. Keine Städte, keine Kultur, hässliche Frauen und lächerliche Frisuren. Kaum geeignet dazu, von Claudius stolz seinem Reich einverleibt zu werden. Doch es war ein Eroberungsfeldzug, und der Ruf eines Kaisers gründete auf militärischen Erfolgen. Vespasian war sich bewusst, dass er sein politisches Kapital vergrößern musste, wenn seine geheimen Wünsche Wirklichkeit werden sollten. Ja, Britannien würde sich für alle Betroffenen auszahlen – mit Ausnahme der Einheimischen, überlegte er lächelnd.
Wo er gerade bei den Einheimischen war: Es mussten noch ein paar Absprachen getroffen werden, bevor die Legion die Festung an die gemischte Kohorte aus Makedonien übergab, die für die Dauer des Feldzugs die Stelle der Zweiten einnehmen sollte. Auch mussten noch ein paar Stammesstreitigkeiten wegen der Landverteilung sowie die hässliche Geschichte mit dem Steuereintreiber beigelegt werden, der die Dritte Kohorte soeben nachging. Der verstümmelte Steuereintreiber hatte beim Provinzgouverneur einen Antrag auf Entschädigung gestellt und ausgeführt, wenn ihm nicht die volle geforderte Summe ausgezahlt werde, wolle er sich nur mit der Hinrichtung des Häuptlings zufrieden geben. In Anbetracht der Tatsache, dass der Stamm eine schlechte Ernte gehabt hatte und im Laufe des harten germanischen Winters gezwungen sein könnte, Nahrungsmittel zu kaufen, hatte Vespasian vorgeschlagen, dem Häuptling zur Strafe ebenfalls die Zunge herauszuschneiden. Der Steuereintreiber, ein ungehobelter Gallier mit einem abstoßenden Akzent und ohne die Gabe zur Konversation – woran sich nun wohl kaum mehr etwas ändern würde –, hatte jedoch auf seinem Blutgeld oder dem Tod des Häuptlings beharrt. Daher hatte man Vitellius damit beauftragt, sich der Sache anzunehmen, eine Aufgabe, die gut harmonierte mit der Vorliebe des Tribuns, dem römischen Frieden gewaltsam Geltung zu verschaffen.
Vespasian konnte sich nur schwer für den Obertribun erwärmen, ohne dass ihm der Grund einsichtig gewesen wäre. Der Mann war durchaus fähig und in der Messe auch beliebt. Er trank viel, jedoch nie bis zur Bewusstlosigkeit. Bei seinen häufigen Liebschaften war er nicht wählerisch – wie es einem Mann Vespasians Meinung nach wohl anstand. Außerdem war Vitellius sportlich und lenkte einen Streitwagen, als wäre er mit einem Paar Zügel in der Hand zur Welt gekommen. Wenn er ein
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