Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Ausbildung in amphibischer Kriegführung brauchen. Soldaten, das wusste er nur zu gut, hatten ein angeborenes Misstrauen gegenüber allem, was mit Wasser zu tun hatte, von allem Nautischen ganz zu schweigen. Das geregelte Garnisonsleben, das die Legion nun schon seit mehreren Jahren führte, war auch nicht hilfreich, überlegte er und nahm einen Schluck warmen Wein. Eine rasche Umorientierung war vonnöten, und das erzwungene Training der Schreiber war bloß die erste Phase in Vespasians Programm zur Vorbereitung der Soldaten auf den nächsten Sommer. Von jetzt an würden die Zahl der Übungsmärsche und die Dauer des Waffentrainings verdoppelt werden, und keinem Soldaten und Offizier wäre fortan mehr erlaubt, sich dem zu entziehen.
Als das Kohortenende vorbeimarschierte, trat Vespasian wieder in sein Privatzimmer und schloss die Fensterläden. Auf einem großen Holztisch waren die von ihm in Auftrag gegebenen Inventarlisten sowie mehrere Sendschreiben aus Rom bezüglich der Einzelheiten der Verlegung der Legion ausgebreitet – die durch Gallien führende Route; die Proviantdepots, die unterwegs die Versorgung sicherstellen würden, sowie die Namen der Experten für amphibische Kriegführung, die für die Dauer des Feldzugs zu seinem Kommandostab stoßen würden. Das Dokument, das all dies in Bewegung gesetzt hatte, war zusammen mit anderen vertraulichen Schreiben sicher in der Truhe unter dem Tisch verwahrt. Mittels wiederholter Lektüre hatte Vespasian sich die Einzelheiten eingeprägt. Trotzdem löste er den Schlüssel von seiner Halskette und schloss die Truhe auf. Das Sendschreiben war um einen Holzstab gewickelt, und die Reste des aufgebrochenen kaiserlichen Siegels aus dunkelrotem Wachs hafteten noch am steifen Pergament. Außer der Schriftrolle war da noch ein weiteres, kleineres und als streng vertraulich gekennzeichnetes Dokument, das vom Kaiser in einer Geheimschrift abgefasst war. Vespasian betrachtete es einen Moment lang mit einem gequälten Ausdruck, dann legte er es wieder in die Truhe und holte die größere Botschaft hervor. Er breitete sie auf dem Tisch aus, nahm noch einen Schluck Wein und überflog erneut das in säuberlicher Handschrift verfasste Schreiben.
Die Zweite sowie drei weitere Legionen sollten kommenden Sommer zusammen mit dreißig Hilfskohorten Britannien erobern. So kühn und simpel hatte der kaiserliche Schreiber, der das Schreiben verfasst hatte, den Plan formuliert. Vielleicht weil sich wegen seines eklatanten Understatements sein schlechtes Gewissen gemeldet hatte, war der Schreiber sodann ausschweifend geworden und hatte einen eleganten Essay über die Bedeutung des geplanten Feldzugs nachgeschoben. Britannien, so schrieb er, sei von Julius Caesar lediglich erkundet worden; eine erfolgreiche Eroberung werde den Ruhm Roms in frischem Glanz erstrahlen lassen und der zivilisierten Welt (sowie der unzivilisierten, die ohne die Errungenschaften Roms auskommen müsse) erneut die Macht Roms und seines neuen Kaisers vor Augen führen.
Darüber musste Vespasian lächeln. Dass Claudius den Kaiserthron errungen hatte, verdankte er allein der Unterstützung der Prätorianergarde. Ohne sie wäre der gegenwärtige Kaiser im Zuge des auf die Ermordung Caligulas folgenden Blutvergießens weggefegt worden. Claudius mochte zwar Kaiser sein, doch wurde seine Eignung für das Amt von den römischen Ständen in Zweifel gezogen. Selbst die Plebejer waren nicht ganz überzeugt davon, dass er das Zeug zum Kaiser hatte. Der geplante Feldzug – die Eroberung Britanniens – war offenbar dazu gedacht, Claudius als Helden vorzuführen. Ein rascher Sieg, ein strahlender Triumph und ausschweifende öffentliche Feiern in Rom sollten Claudius die launischen römischen Massen gewogen machen.
Der Schreiber führte weiterhin aus, dass die für den Feldzug abgestellten Truppen mehr als ausreichen würden. Aus Geheimdienstberichten aus Britannien gehe hervor, dass der bewaffnete Widerstand minimal ausfallen und weit verstreut sein werde. Das Invasisionsheer werde jeden massierten Widerstand rasch brechen und könne sich im Folgenden darauf konzentrieren, die Stammesbande auf diplomatischem Weg oder mit Gewalt zu schwächen.
»Auf diplomatischem Weg oder mit Gewalt«, wiederholte Vespasian und schüttelte besorgt den Kopf. Bloß ein kaiserlicher Beamter konnte dies so simpel ausdrücken. Jeder Soldat mit Felderfahrung wusste, wie unwahrscheinlich ein Erfolg der Diplomatie war. Vespasian bezweifelte, dass die
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