Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Masse von Streitwagen und Infanterie auf den Weg und schlängelte sich den Hang hoch. Einzelne Worte ihrer eigentümlich melodischen Sprache drangen an die Ohren der verängstigten Römer, und Cato fand, dass sie im Vergleich zum rauen Germanisch, an das er sich mittlerweile gewöhnt hatte, recht angenehm klang. Ein scharfer Befehl ertönte, als ein Streitwagen an der Kolonne vorbeizog, und die Soldaten schwiegen respektvoll, bis der Wagen die Kundschafter überholt und hinter dem Hügelkamm verschwunden war, dann erscholl neuerliches Gelächter, und das muntere Geplauder wurde fortgeführt.
Die Kolonne, die aus dem Moor hervorkam, schien gar kein Ende zu nehmen, dabei war die Vorhut bereits auf der anderen Seite des Hügels verschwunden. Immer mehr Soldaten marschierten vorbei, bis endlich die Nachhut aus dem Moor auftauchte. Macro und Cato beobachteten, wie die letzten gegnerischen Kämpfer den Hang hinaufmarschierten und hinter der Kuppe verschwanden.
»Was meinst du, wie viele das waren, Herr?«, flüsterte Cato, als fürchtete er, seine Worte könnten bis an die Ohren der Briten dringen.
Macro blickte auf die Steinchen in seiner Hand nieder und zählte sie rasch. »Die Truppenstärke entspricht etwa zwanzig Kohorten, das macht … «
»Neuntausend!« Cato stieß einen leisen Pfiff aus.
Macro vollzog die Rechnung im Stillen nach und nickte. »Mehr als genug, um Vespasian Kopfzerbrechen zu bereiten. Von den Streitwagen ganz zu schweigen. Wenn der Haufen auf den Legaten losgelassen wird … «
»Jetzt hängt alles von Vitellius ab.«
»Ja«, erwiderte Macro einfach. »Von Vitellius … Hör mal, wir müssen weiter. Den Wagen sollten wir besser hier lassen. Wir vergraben die Truhe, lassen den Wagen an anderer Stelle stehen, schlagen zu Pferd einen Bogen um die Streitmacht und stoßen wieder zur Legion.«
»Die Truhe vergraben? Nach allem, was wir durchgemacht haben?«
»Soll sie etwa dem Feind in die Hände fallen? Oder schlimmer noch, willst du dich mit der Truhe erwischen lassen?«
»Nein, Herr.«
»Und deshalb lassen wir sie hier und holen sie später ab, falls wir jemals heil zur Zweiten gelangen sollten.«
Das Pferd war vollkommen erschöpft und würde zusammenbrechen, wenn er es weiter vorwärtstrieb. Vitellius ließ den Weg hinter sich und saß im Schutz eines alten Gehölzes ab, dessen laubbeladene Äste sich nach allen Seiten erstreckten. Während das Tier in der kühlen Nachtluft schnaubte und keuchte, fluchte Vitellius vor Wut und Enttäuschung. Um ein Haar wäre die verdammte Truhe sein geworden. Der Schatz eines Kaisers – genug Gold, um selbst die ehrgeizigste politische Karriere zu finanzieren und sich Senatoren und Soldaten gleichermaßen gewogen zu machen. Vielleicht hätte er sich damit sogar die Loyalität der Prätorianergarde erkaufen können. Der Preis für die Dienste des Prätorianeragenten Pulcher war jedenfalls nicht zu hoch gewesen; der Mann war so vom Gold beeindruckt gewesen, dass er alle lästigen Prinzipien über Bord geworfen hatte. Ebenso leicht war es gewesen, sich die Gunst der Syrer zu erkaufen, nachdem er sich als enger Freund des Scribonianus ausgegeben hatte.
Es war schon erstaunlich, wie leicht sich Menschen durch die Aussicht auf Reichtümer in eine neue Richtung lenken ließen. Noch vor wenigen Monaten war er ein treuer Diener des Kaisers gewesen, so loyal, dass Narcissus ihm mehr Geheimnisse anvertraut hatte, als notwendig oder klug gewesen wäre. Kaum aber hatte Narcissus ihm von der Truhe erzählt, flüsterte ihm ein bislang unterdrückter Ehrgeiz finstere Gedanken ein. Mit der Bergung der Truhe sollte Vespasians Loyalität auf die Probe gestellt werden, und Vitellius hatte Befehl bekommen, den Legaten sorgfältig im Auge zu behalten und nach Hinweisen auf Verrat zu achten. Vespasian aber hatte sich tadellos verhalten und Vitellius gerade durch seine strikte Pflichterfüllung eine Möglichkeit eröffnet. In dem Wissen, dass der Legat alles in seiner Macht Stehende unternehmen würde, um seine Befehle auszuführen, brauchte Vitellius ihn Narcissus gegenüber bloß noch weiter anzuschwärzen. Wenn die Truhe verschwand, würde der Verdacht unweigerlich auf Vespasian fallen, dessen Unschuldsbeteuerungen ihn bloß umso verdächtiger machen würden. Und Vitellius, im Besitz eines Vermögens, würde dabei zusehen und auf seine Chance warten.
So hatte bis vor kurzem sein Plan ausgesehen.
Die Träume von einer rosigen Zukunft waren nun zerstoben, und
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