Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
Der Baxter-Blog
Warnung an die Welt
Und wieder ein neuer Blog-Versuch. Von wie vielen Seiten bin ich nun schon rausgeflogen? In ganz Großbritannien ist kein einziger Provider mehr übrig, der nicht von ihnen kontrolliert wird. Daher muss ich jetzt einen holländischen Server benutzen – was allerdings nicht auf meinen Aufenthaltsort schließen lässt, also probieren Sie gar nicht erst, mich zu finden, Mr Fellows. Das schaffen Sie nicht.
Okay – wie viele Monate ist es jetzt her, dass dieses Scheusal von einem Buch veröffentlicht wurde? Ich kann und will schon nicht mehr mitzählen. Ich werde an dieser Stelle auch weder Zeit noch Platz mit »Ich hab’s euch ja gleich gesagt« verschwenden, aber ich gebe euch mein Ehrenwort, dass ich mein Möglichstes versucht habe. Ich, wir, wollten euch warnen. Ein paar haben zugehört, nur leider nicht annähernd genug – zumindest nicht, bis es zu spät war und diese Seuche sich zu weit ausgebreitet hatte.
Schaut euch nur an, was in Großbritannien inzwischen los ist. Die Wut ist verraucht und die Protestbewegungen haben aufgehört, sogar die Sperrstunde ist wieder aufgehoben worden, weil es da draußen einfach nicht mehr genug Leute gibt, die noch alle sieben Sinne beisammenhaben, um Ärger zu machen. Irgendwie haben sie euch gekriegt, haben euch dazu gebracht, zu lesen oder zuzuhören, oder haben euch diesen stinkenden Dreck zu essen gegeben. Und jetzt seid ihr genauso wie die ganzen anderen hirngewaschenen Mitläufer.
An die, die noch immer um jeden Preis Widerstand leisten (ich weiß, ein kleiner, verstreuter Haufen existiert noch), entweder weil ihr einen eisernen Willen oder einfach das Glück habt, so wie ich immun gegen diesen Wahnsinn zu sein: Ich rate euch dringend, das Land zu verlassen! Verschwindet von da. Ihr könnt nichts mehr ausrichten. Großbritannien ist am Ende. Aber ihr könnt noch immer dabei helfen, es daran zu hindern, auch den Rest der Welt zu verpesten. Haltet Ausschau nach Fluchtwegen – entsprechende Links sind überall im Internet verstreut. Wenn ihr unsere Mitarbeiter davon überzeugen könnt, dass ihr es wirklich ernst und ehrlich meint, dann wird man euch Tipps geben und Wegbeschreibungen zur Verfügung stellen. Ich entschuldige mich schon im Voraus dafür, dass wir euch ordentlich auf den Zahn fühlen werden, aber wir müssen so vorsichtig sein, um uns abzusichern. Sie haben ihre Augen überall und sie werden vor nichts haltmachen, um uns zu schnappen. Viel Glück!
Martin Baxter
1
Reggie Tucker hievte sich seinen Rucksack auf die Schultern. Es war an der Zeit, den Park zu verlassen. Er krabbelte aus seinem Versteck unter den Rhododendren an der Außenmauer und lief eilig einen der Fußwege entlang. Mit fest zusammengepressten Lippen durchquerte er einen Schwarm dicker, sirrender Fliegen. Widerlicher Verwesungsgestank hing über diesem düsteren Teil des Parks. Die merkwürdigen, abstoßenden Pflanzen, die vor einigen Monaten plötzlich aufgetaucht waren, hatten sich mittlerweile überall verbreitet. Sie überwucherten die Rosenbeete und auf der Suche nach neuem Boden streckten sich ihre borstigen Ranken wie Fühler durch die Spaliere.
Vorsichtig stieg Reggie über sie hinweg und legte einen Zahn zu. Der Geruch, den die hässlichen grauen Blüten verströmten, ließ ihn würgen. Angewidert warf er einen Blick zurück auf die dicke Wolke aus Schmeißfliegen, die sich um die ekelerregenden Blütenblätter tummelten, und hastete weiter.
Der Junge zog den Kopf ein, als ihm ein Mann entgegenkam, der seinen Hund Gassi führte. Dann huschte er an einem Grüppchen von Leuten vorbei, die in einem engen Kreis im Gras hockten. Sie waren völlig vertieft in ein Buch und wiegten sich vor und zurück, während sie den Text laut vorlasen. Reggie hegte keinerlei Zweifel, um was für ein Buch es sich dabei handelte. Inzwischen gab es nur noch ein Buch.
Bestenfalls blieb er unbemerkt. Falls nicht, würde die niedrige Spielkarte, die er sich an die Jacke geheftet hatte, hoffentlich jeden Neugierigen zufriedenstellen.
Reggie knurrte der Magen. Die letzte Ration seines eilig zusammengepackten Proviants hatte er gestern verputzt. Er hatte zwar etwas Geld einstecken, doch er traute sich nicht, in einen Laden zu gehen, um etwas zu kaufen.
Außerdem war er völlig erschöpft. Seit drei Nächten schlief er nun im Freien. Bisher hatte er Glück gehabt, der April war außergewöhnlich warm und trocken und niemand hatte Reggie dabei erwischt, wie er
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