Cato 03 - Der Zorn des Adlers
entdecken. Wenn er dem aber durch irgendein unglaubliches Wunder entginge, hätte er trotzdem keine Möglichkeit, die beiden aus dem Käfig zu holen. Das Schicksal hatte beschlossen, ihn bis zu diesem Punkt kommen zu lassen und nicht weiter.
In dem Wissen, dass er unmöglich lebendigen Leibes zu den Geiseln gelangen konnte, ließ Cato sich wieder zu Boden gleiten. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass sein Unterfangen aussichtslos war, aber die Gewissheit war dadurch nicht leichter zu ertragen. Es gab einfach nichts mehr, das er tun konnte. Er musste sofort verschwinden.
Ebenso vorsichtig, wie er gekommen war, arbeitete er sich zur Abflussrinne zurück. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er unbeobachtet war, steckte er den Kopf durch die Öffnung.
»Prasutagus …«, flüsterte er.
Unten am Abhang tauchte ein Schatten auf und glitt auf ihn zu. Sobald der Iceni-Krieger unter der Öffnung stand, ließ Cato sich fallen, verfehlte Prasutagus aber und taumelte auf die Rinne zu. Doch eine mächtige Faust schloss sich um seinen Knöchel und riss ihn zurück, als er kaum noch einen Fuß über dem Unrat schwebte, der an den steilen Wänden der Rinne klebte. Prasutagus schleuderte ihn aufs Gras und ließ sich gleich darauf neben ihm niederfallen.
»Danke«, keuchte Cato. »Ich dachte wirklich, dass ich gleich ganz tief in der Scheiße stecke.«
»Du sie finden?«
»Ja«, antwortete Cato bitter. »Ich habe sie gefunden.«
33
Die Zweite Legion traf am Mittag des darauf folgenden Tages ein. Von dem Baum, den sie als Ausguck benutzten, erblickte Cato eine kleine, zu einer Linie aufgefächerte Reitertruppe, die sich der Großen Festung von Osten näherte. Zwar war aus dieser Entfernung keine Gewissheit möglich, doch hatten sich die Reiter so im Gelände verteilt, wie es für Kundschafter der römischen Armee typisch war. Cato lächelte entzückt und verpasste dem Baum einen begeisterten Fausthieb. Nachdem er sich so viele Tage im Gebiet der Durotriges herumgedrückt, immer im Freien geschlafen und in ständiger Angst vor Entdeckung gelebt hatte, erfüllte ihn der Gedanke an das Nahen der Zweiten Legion mit einer warmen, tröstlichen Sehnsucht. Es war fast, als stünde eine Vereinigung mit der engsten Familie bevor, und er war weit stärker bewegt, als er erwartet hatte. Seine Kehle schnürte sich zusammen, und er musste sich mehrmals räuspern, bevor er nach Prasutagus rufen konnte. Die Baumwipfel schwankten beängstigend, als der Iceni-Krieger zu ihm hochkletterte.
»Mach mal langsam, Mann«, knurrte Cato und klammerte sich fester an den Stamm. »Willst du denn alle wissen lassen, dass wir hier sind?«
Prasutagus blieb einige Äste tiefer als Cato und deutete auf die Festung. Die Kundschafter der Legion waren inzwischen vom Feind gesichtet worden, und der letzte Spähtrupp der Durotriges zog sich nun hinter das Haupttor zurück. Bald würden alle Eingeborenen hinter den Mauern festsitzen, voll Zuversicht, dass sie die Große Festung gegen den Angriff der Römer verteidigen konnten. Cato und Prasutagus waren jetzt nicht mehr in Gefahr; sie mussten sich nicht mehr verstecken, und Cato gab nach.
»Schon gut. Aber pass auf, dass du den Baum nicht abbrichst. «
»Hä?« Prasutagus blickte mit verständnislosem Stirnrunzeln auf.
Cato zeigte auf den schmalen Stamm. »Pass auf.«
Prasutagus schüttelte den Stamm spielerisch, womit er Cato fast aus dem Wipfel katapultierte, und nickte dann.
Aufgebracht knirschte Cato mit den Zähnen. Er spähte nach Osten, um hinter den Kundschaftern die ersten Hinweise auf das Gros der Zweiten Legion zu entdecken.
Es dauerte noch fast eine weitere Stunde, ehe in der dunstigen Ferne zwischen Wäldern und Hügeln die Vorhut auftauchte. Ein fernes Flirren und Schimmern ließ erkennen, wo die Sonne sich in den Waffen und Helmen der ersten Kohorte spiegelte. Als die Legion sich weiter näherte, nahm das Auge eine lange Kolonne wahr, die sich wie eine schuppige Schlange träge durch die Landschaft schlängelte. Berittene Stabsoffiziere trabten zu beiden Seiten der Kolonne auf und ab und sorgten dafür, dass es keine Stockungen in dem regelmäßigen, disziplinierten Marschtempo gab. In einiger Entfernung von der Legion waren auf beiden Flanken weitere berittene Kundschafter unterwegs, um einem Überraschungsangriff des Feindes vorzubeugen. Weiter hinten rollten als dunkle Masse die Vorrats- und Artilleriewagen, und das Ende bildete die Nachhut-Kohorte. Cato war überrascht von der Länge
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