Cato 03 - Der Zorn des Adlers
müssen, bevor sie die Landung auf einem sichereren Küstenstreifen wagen konnten.
Der Kapitän kam über das schwankende Deck auf ihn zugetaumelt und salutierte, die andere Hand fest um die Heckreling geklammert.
»Was ist denn?«, rief der Präfekt.
»Bilgewasser!«, rief der Kapitän, die Stimme heiser, nachdem er schon seit Stunden Befehle durch den heulenden Sturm gebrüllt hatte. Er stieß mit dem Zeigefinger nach unten, um seine Worte zu unterstreichen. »Wir laufen voll!«
»Können wir es ausschöpfen?«
Der Kapitän legte lauschend den Kopf schräg.
Der Präfekt holte tief Luft, legte die Hand an den Mund und schrie: »Können wir es ausschöpfen?«
Der Kapitän schüttelte den Kopf.
»Und jetzt?«
»Wir müssen vor dem Sturm herlaufen! Sonst gehen wir unter. Und dann müssen wir eine sichere Landestelle finden! «
Mit einem übertriebenen Nicken machte der Präfekt deutlich, dass er verstanden hatte. Na schön. Sie würden eine geeignete Stelle finden müssen, um das Schiff auf den Strand zu setzen. Etwa dreißig oder vierzig Meilen weiter westlich gingen die Klippen in Kiesstrände über. Wenn die Brandung nicht allzu heftig war, konnte man dort eine Landung versuchen. Zwar mochte die Trireme dadurch ernsthaft beschädigt werden, aber es wäre schlimmer, außer dem Schiff auch noch Mannschaft und Passagiere zu verlieren. Dabei dachte der Präfekt an die Frau und ihre kleinen Kinder, die sich unten im Bauch des Schiffes verkrochen hatten. Sie waren ihm anvertraut worden, deshalb hatte er alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sie zu retten.
»Erteile den Befehl, Kapitän! Ich gehe unter Deck.«
»Jawohl.« Der Kapitän salutierte und kehrte zum Mittelschiff zurück, wo die Matrosen am Fuß des Masts kauerten. Der Präfekt beobachtete noch, wie der Kapitän seine Befehle brüllte und auf das eingeholte Rahsegel oben am Mast zeigte. Keiner rührte sich. Der Kapitän brüllte den Befehl erneut und trat dann böse nach dem erstbesten Matrosen. Der Mann kauerte sich noch mehr zusammen, kassierte aber sofort den nächsten Tritt. Da sprang er in die Takelage und kletterte nach oben. Die anderen folgten ihm, kletterten, an das Stag geklammert, die schwankenden Webeleinen empor und erklommen schließlich die Rah. Barfuß suchten sie mit den eiskalten Zehen Halt und schoben sich Stückchen um Stückchen auf die Rah hinaus. Erst als jeder Mann an seinem Platz war, konnten sie die Knoten lösen und das Segel in seiner am stärksten gerefften Stellung setzen. Diese geringe Segelfläche reichte aus, um das Schiff beim Abwettern des Sturms zu steuern. Bei jedem Blitz zeichneten sich Mast, Rah und Männer einen Moment lang als scharf gezeichnete, schwarze Silhouetten vor dem blendend hellen Himmel ab. Dem Präfekten fiel auf, dass die Regentropfen bei jedem Blitzschlag einen Moment lang mitten im Fall zu erstarren schienen. Trotz seines Entsetzens empfand er angesichts dieser Ehrfurcht erregenden Demonstration von Neptuns Macht auch eine begeisterte Erregung.
Endlich waren alle Männer in Position. Der Kapitän stellte sich mit seinen kräftigen Beinen breitbeinig aufs Deck, legte beide Hände trichterförmig an den Mund und blickte zum Mast empor.
»Bänder lösen.«
Die halb erstarrten Finger machten sich verzweifelt an den Lederbändern zu schaffen. Einige Matrosen waren geschickter, und so entfaltete sich das Segel ungleichmäßig schnell. Ein plötzliches Pfeifen in der Takelage kündigte ein erneutes Anschwellen des Sturms an, und die Trireme erbebte unter dem wütenden Angriff. Ein Matrose, der noch geschwächter war als seine Kameraden, verlor den Halt und wurde so schnell in die Dunkelheit hinausgeschleudert, dass keiner seinen Sturz verfolgen konnte. Doch die Matrosen hielten nicht in ihren Bemühungen inne. Der Wind zerrte an der freiliegenden Segelfläche und hätte sie den Matrosen fast aus den Händen gerissen, ehe es ihnen gelang, die Reffleinen festzuzurren. Sobald das Segel gesetzt war, rutschten die Männer wieder von der Rah herunter und arbeiteten sich vorsichtig aufs Deck zurück, Kälte und Erschöpfung tief in die besorgten Gesichter gegraben.
Der Präfekt arbeitete sich zur Luke im Heck des Schiffs zurück und ließ sich vorsichtig in den stockdunklen Schiffsbauch hinunter. Nach dem Geheul des Sturms und dem Geprassel des Regens wirkte es in der kleinen Kajüte unnatürlich ruhig. Ein Wimmern zog ihn zum Heck, wo die Spanten zusammenliefen, und im Schein eines durch die Luken
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